Kinder in der Blutzucker-Achterbahn
Ob Eis, Weingummi, Kekse, Schokolade oder Limo – Kinder lieben Süßes. Da können sie gar nichts für, denn der Zucker macht einfach süchtig. Doch wie viel Zucker ist gut und was macht er im Körper eines Kindes. Wir haben nachgeforscht.
Ist man dem Zucker erst verfallen, will man immer mehr. Genau das ist das Problem, denn viele Erwachsene und Kinder essen viel zu viel Zucker und das hat leider mitunter gravierende gesundheitliche Folgen. Ihm werden heute Zivilisationskrankheiten wie Adipositas, Diabetes, Krebs sowie Darm-, Herz- und Gefäßkrankheiten zugeschrieben. Und nein, ich will hier nicht den Finger heben und sagen: Böse, böse, ihr dürft niemals wieder Süßigkeiten essen. Keinesfalls, denn ein bisschen Spaß muss sein, aber zum richtigen Zeitpunkt.
Zu viel Zucker: Gesundheitsprobleme bei Kindern nehmen zu
Laut der KiGGS: Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (2014-2017) des Robert Koch-Instituts (RKI) sind 15,4 % der Kinder und Jugendlichen übergewichtig, 5,9 % sind sogar adipös. Die Tendenz ist steigend.
Eine Auswertung der Barmer Krankenkasse in Hessen macht den Anstieg ebenfalls deutlich. Wurde im Jahr 2012 noch bei circa 22.400 Mädchen und Jungen bis 14 Jahren Adipositas, also starke Fettleibigkeit festgestellt, waren es 2021 bereits 27.200 betroffene Kinder. Das ist ein Anstieg von mehr als 20 %. Die Pandemie hat sicherlich dazu beigetragen.
Eine Hauptursache für Übergewicht oder sogar Adipositas (starke Fettleibigkeit) ist neben einem Mangel an Bewegung, eine ungesunde Ernährung. Das heißt: zu viel Zucker, zu viel Fett und zu viele Fertigprodukte. Es gibt diesen alten Spruch: „Esse nur, was auch deine Großmutter als Essen erkannt hätte.“ Dieser Spruch ist mittlerweile natürlich generationstechnisch überholt, etwas wahres trägt er dennoch in sich. Wir leben in einer Welt, in der oft beide Elternteile arbeiten müssen.
Schnell, schnell muss dann Essbares her, denn Kind 1 muss zum Sport, Kind 2 zum Musikunterricht und so weiter. Da kommt einem die immens große Auswahl an Fertigprodukten oft ganz recht. Fertigprodukte enthalten leider oft zu viele Kalorien, zu viel Zucker, Salze und ungesunde Fette. Das gilt leider für konventionelle Produkte wie auch Bio, mit oder ohne Fleisch.
Exkurs: ungesunde Fette
Gesättigte Fettsäuren
Gesättigte Fettsäuren sind u. a. Butter-, Myristin-, Capryl-, Caprin-, Capron-, Palmitin- und Stearinsäure. Sie kommen in tierische Nahrungsmittel wie Butter, Schlagobers, Schweineschmalz, Fleisch und Wurstwaren vor. Zwar benötigt der Körper sie bspw. zur Produktion von Vitamin D, doch zu viel bereitet massive Probleme. Die gesättigten Fettsäuren beeinflussen das Verhältnis von Omega-6 zu Omega-3 wird ungünstig. Zudem kann es zu Ablagerungen in den Arterien kommen und das Risiko für einen Herzinfarkt steigt immens.
Transfette
Werden ungesättigte Fettsäuren (eigentlich die Guten) stark oder mehrfach erhitzt, entstehen Transfettsäuren. In großen Mengen fallen sie auch bei der industriellen Fetthärtung an. Bei diesem Prozess werden aus flüssigen Ölen streichfeste Produkte hergestellt, wie Margarine. Man findet die Fette außerdem vor allem in Fertiggerichten, Frittiertem, Back- oder Süßwaren.
Im menschlichen Körper führen Transfette zu einer ungünstigen Veränderung der Blutfettwerte: Das Low-Density-Lipoprotein (LDL) steigt an, während das High-Density-Lipoprotein (HDL) absinkt. Das LDL- oder auch „böse“ Cholesterin transportiert das Cholesterin aus der Leber in andere Organe.
Bei hoher Konzentration kann es sich allerdings in den Gefäßen ablagern. Das HDL transportiert überschüssiges Cholesterin wieder zurück in die Leber, damit es dort wieder abgebaut wird. Cholesterin ist ein wichtiger Bestandteil, doch zu viel davon – vor allem zu viel des LDL-Cholesterins durch Transfette erhöht das Risiko für starkes Übergewicht, Herzkrankheiten und Arteriosklerose (Arterienverkalkung) enorm.
Um Transfette beim Kochen zu vermeiden, sollten unbedingt hitzebeständige Fette und Öle benutzt werden. Diese sind für hohe Temperaturen von 180 bis 230 Grad Celsius geeignet. Dazu gehören:
- ölsäurereiche Öle
- Kokosfett
- Ghee
- Butterschmalz
Für mittlere Temperaturen von 160 bis 180 Grad Celsius geeignet sind:
- Natives Olivenöl extra
- Butter
Raffinierte Öle aus Sonnenblumen, Raps, Erdnüssen oder Soja enthalten viele gesättigte Fettsäuren.
Blutzucker und Insulinspiegel
Ja, es gibt ihn, den richtigen Zeitpunkt für Süßigkeiten in Maßen. Um diesen zu finden, müssen wir verstehen, wie Zucker in unserem Körper wirkt.
Kohlenhydrate aus unserer Nahrung liefern dem Körper Energie. Sie kommen in Lebensmitteln mit viel Stärke vor und sind wichtig für viele Stoffwechselvorgänge und Organe, vor allem für Gehirn und Muskeln. Im Körper werden sie in Glukose (Einfachzucker) aufgespalten.
Das geht bei einfachen Kohlenhydraten wie Backwaren aus Weißmehl, Limo oder Süßigkeiten sehr schnell. Komplexe langkettige Kohlenhydrate aus Reis, Kartoffeln, Früchten, Nüssen oder Haferflocken wirken etwas langsamer. Für einen Blutzuckeranstieg sorgen beide.
Glukose sowie jeglicher andere Zucker wirkt sich auf unseren Blutzuckerspiegel aus. Steigt dieser, setzt der Körper mithilfe der Bauchspeicheldrüse Insulin frei. Dieses Hormon sorgt dafür, dass die Glukose aus unserem Blut in die Zellen transportiert wird und der Blutzucker wieder auf ein normales Niveau sinkt. Soweit so klar. Kein Problem oder doch?
Speicher voll
Da kommt unsere heutige Ernährungsweise ins Spiel: Wir essen zu viele Kohlenhydrate. Bewegen wir uns nicht entsprechend, um die Energie aus der Glukose zu verbrennen, wird die überschüssige Glukose als Fett in den Zellen gespeichert. Essen wir dann weiter, werden die Speicher nicht geleert und immer mehr Zucker in Fett gespeichert und wir werden dick
Die „Blutzucker-Achterbahn“
Ein weiteres Problem ist die Blutzucker-Achterbahn. Neben den normalen Hauptmahlzeiten wird oft an allen Ecken und Enden gesnackt. Aber auch, wer sich an drei Mahlzeiten hält, isst oft zu viele Kohlenhydrate und vor allem Kinder sind da anfällig. Oft gibt es nur die typischen Kinderessen wie Spaghetti Bolognese oder aber Gemüse ist sowieso „Bäh!“.
Das Problem hier: Je höher wir den Blutzuckerspiegel ansteigen lassen, desto tiefer fällt er später. Das signalisiert im Körper: „Hunger!“. Die Folgen sind Heißhungerattacken und Lust auf Süßes. Das äußert sich oft durch Unruhe, Aggressivität, Unkonzentriertheit und Müdigkeit. Das Resultat, wenn man diesem Verlangen nachkommt, habe ich weiter oben beschrieben: Speicher voll.
Insulinresistenz, Diabetes und die ersten Symptome
Auf Dauer ist das kein guter Weg, denn zum Übergewicht gesellen sich früher oder später Krankheiten, die keiner braucht.
Insulinresistenz
Leider noch viel zu unbekannt, dafür jedoch umso verbreiteter: Insulinresistenz (IR). Sie ist eine Vorstufe von Diabetes Typ 2 und kann viele weitere Krankheiten auslösen, wie: Herz-Kreislauferkrankung, Autoimmunerkrankungen, Demenz oder Krebs.
Man geht davon aus, dass in den USA und Asien 45 bis 50 % der Bevölkerung insulinresistent sind. Rund ein Drittel aller Europäer leidet daran, oft unwissend. IR entsteht durch chronisch stille Entzündungen und Übergewicht. Letzteres führt ebenfalls zu chronisch stillen Entzündungen. Dies verstärkt wiederum die Resistenz. Ein verhängnisvoller Kreislauf erwächst.
Von der Resistenz können verschiedene Systeme betroffen sein. Oft ist es das Gehirn. Symptome sind da: Erschöpfung, Müdigkeit, Denkstörungen, sogenannter Brainfog und ein massives Verlangen nach Essen. Nicht alle drei Stunden zu essen bedeutet da akuten Stress und das Gefühl zu unterzuckern. Aber auch das Innenohr kann resistent werden. Dies äußert sich durch starkes Rauschen und Tinnitus bei Anstrengung. Auch Bluthochdruck ist ein klassisches Symptom.
Diabetes Typ 2
Typ-2-Diabetes ist eine Erkrankung des Stoffwechsels. Dabei wird das ausgeschüttete Insulin von den resistenten Körperzellen immer schlechter aufgenommen und verwertet. Der Blutzuckerspiegel ist dadurch dauerhaft erhöht. Die Folgen können weitere schwere Erkrankungen sein.
Man spricht hier auch von einer „Altersdiabetes“, da in der Regel ältere Menschen betroffen sind. Doch mittlerweile trifft die Diagnose auch junge Erwachsene und vor allem vermehrt Kinder.
Laut RKI sind im Beobachtungszeitraum zwischen 2014 und 2020 etwa 160 Kinder und Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahren pro Jahr neu an Typ-2-Diabetes erkrankt. Die Inzidenz des Typ-2-Diabetes ist dabei vor allem bei Jungen stark gestiegen. Insgesamt zeigt diese Beobachtung eine jährliche Häufung der Erkrankungen.
Der Schlüssel: Bewegung und gesunde Ernährung
Der Schlüssel, um gesund oder besser noch gar nicht erst krank und übergewichtig zu werden, ist eins gesunder Lebensstil. Dazu gehört neben einer ausgewogenen Ernährung natürlich auch ausreichend Bewegung. Eine gesunde Ernährung für Kinder legt den Fokus auf „echte“ Lebensmittel und eine möglichst flache Blutzuckerkurve.
Über Kohlenhydrate haben wir ja schon einiges im Zusammenhang mit Stärke erfahren. Ballaststoffe sind ebenfalls Kohlenhydrate. Sie geben uns aber keine Energie. Sie sind weitestgehend unverdaulich. Wirken sich positiv auf unsere Verdauung, den Blutzucker- und Cholesterinspiegel, das Herz und die Gefäße aus. Wir finden die Ballaststoffe in Pflanzen. Um ausreichend versorgt zu werden, empfiehlt man circa fünf Hände voll (fünf Portionen) Gemüse pro Tag.
Ist man die Ballaststoffe zuerst, kleiden sie den Darm wie ein Schutznetz aus. Essen wir danach noch Eiweiße und erst dann die Kohlenhydrate, wird der Zucker sehr viel langsamer aufgenommen und die Blutzuckerkurve bleibt viel flacher. Wissenschaftler empfehlen, in dieser Reihenfolge zu essen:
- Gemüse (also Ballaststoffe)
- gesunde Eiweiße und Fette
- Kohlenhydrate
Wann sind Süßigkeiten erlaubt?
Damit kommen wir zu der wohl wichtigsten Frage: Wann sind Süßigkeiten erlaubt? Der schlechteste Zeitpunkt ist auf leeren Magen, wenn der Blutzucker niedrig ist. Etwas Süßes würde ihn in diesem Moment in die Höhe schießen und danach noch weiter abfallen lassen. Da wäre eine Blutzucker-Achterbahn vorprogrammiert.
Der beste Zeitpunkt ist daher nach dem Essen. Genießt eine Süßigkeit als Nachtisch. Und wenn es doch mal ein Stück Kuchen bei Oma und Opa sein soll, empfiehlt sich, vorher einfach ein wenig Gemüse zu essen: Salat, ein paar Stück Gurke oder Paprika, auch Nüsse funktionieren.
Nüsse sind auch perfekt als Snack. Probiert auch mal Apfelstücke mit Nussmus aus. Lecker!
Wenn euch das Thema tiefer interessiert, empfehle ich das Buch „Der Glukose-Trick“ von Jessie Inchauspé.
Exkurs: Zucker
Zucker hat viele Gesichter und Namen. Noch immer hält sich der Mythos, dass Fruktose sehr viel gesünder als Glukose ist oder das Süßen mit Kokosblütenzucker auch für Diabetiker super, weil er den Blutzucker nicht ansteigen lässt. Fakt ist: Zucker ist Zucker und wird im Körper auch als solcher verarbeitet. Kokosblütenzucker besteht zu ca. 90 % aus Saccharose, ein Zweifachzucker aus Glukose und Fruktose. Auf die Blutzuckerkurve hat er die gleiche Auswirkung wie normaler Haushaltszucker.
Ist Fructose gesünder als normaler Zucker?
Lange hieß es, Fruchtzucker, also Fructose sei gesünder als Glukose, da es insulinunabhängig verstoffwechselt, wird und somit auch für Diabetiker besser sei. Inzwischen ist das leider widerlegt.
Im Körper wird sie in Glukose umgewandelt. Nimmt man zu große Mengen auf, wird sie in der Leber in Fett gewandelt. Langfristig entsteht also aus übermäßiger Zufuhr von Fructose eine Fettleber sowie die Anlagerung von viszeralem Bauchfett.
Aber: Fruchtzucker aus Obst, also in seiner natürlichen Form ist erstmal ungefährlich. Sich mit Erdbeeren, Äpfeln oder Orangen so zu überessen sollte unmöglich sein. Mit Fruchtsäften ist dann schon wieder etwas Vorsicht geboten.
Da Fruktose als Süßungsmittel viel günstiger als Glukose ist, wird sie in der Lebensmittelindustrie immer mehr verwendet. Man findet sie mittlerweile in den meisten süßen aber auch herzhaften Fertigprodukten auf dem Markt. In industriell verarbeitetem Essen wird die Fruktose konzentriert, die Ballaststoffe entzogen.
Zucker und seine vielen Namen
Damit ihr einen Überblick bekommt, was am Ende des Tages als Zucker im Körper verarbeitet wird. Hier eine kleine Übersicht:
Agavendicksaft | Honig | Polydextrose |
Agavensaft | Invertzucker | Raffinadezucker |
Ahornsirup | Invertzuckercreme | Rohrzucker |
Apfeldicksaft | Invertzuckersirup | Rübenzucker |
Dextrin | Isoglucose | Saccharose |
Dextrose | Kandiszucker | Sorbit |
Fruchtextrakt | Karamellisierter Zucker | Stärkesirup |
Fruchtsaft | Karamellsirup | Stärkezucker |
Fruchtsaftkonzentrat | Laktose | Süßmolkenpulver |
Fruchtzucker | Maissirup | Traubensüße |
Fructose | Maltit | Traubenzucker |
Fructose-Glucose-Sirup | Maltodextrin | Vanillezucker |
Fructosesirup | Malzextrakt | Vanillinzucker |
Galaktose | Malzsirup | Weizendextrin |
Gelierzucker | Mannit | Xylit |
Gerstenmalzextrakt | Melasse | Zuckerrohrsaft |
Glucose | Milchzucker | Zuckerrübensirup |
Glucose-Fructose-Sirup | Molkenerzeugnis | |
Haushaltszucker | Molkenpulver |