
Heute wieder total erschöpft und trotzdem das Gefühl, nichts geschafft zu haben? Kein Wunder. Neben dem täglichen Vereinbarkeits-Struggle aus Job, Hausarbeit, Kinderbetreuung und Mental Load leisten Mütter auch viel emotionale Arbeit. Als Feelgood-Managerin kümmern sie sich um die Gefühle der gesamten Familie. Höchste Zeit, diese Arbeit endlich sichtbar zu machen!
Was ist Emotional Load?
Ein typischer Tag im Leben einer Mutter geht so: Noch vor dem ersten Kaffee begleitet sie den ersten Gefühlsausbruch ihrer dreijährigen Tochter. Die Kleine möchte ihre Schuhe selbst anziehen, doch es gelingt ihr nicht sofort. Sie wirft sich auf den Boden und schreit. Die Mutter atmet tief durch. Statt ihrem ersten Impuls zu folgen, die Schuhe einfach über die Kinderfüße zu streifen, redet sie dem Kind liebevoll zu und lässt es das Schuhe anziehen erneut versuchen. Auf dem Weg zur Arbeit beeilt sie sich, um die verlorene Zeit wettzumachen. Im Büro trifft sie auf ihren schlecht gelaunten Kollegen. Sie überlegt, was der Grund für seine Genervtheit sein könnte und versucht, ihn aufzumuntern. Am Nachmittag schlichtet sie die Streitereien ihrer Kinder und fängt ihren Frust und Stress nach der Kita auf. Nebenbei beruhigt sie am Telefon die Schwiegermutter. Und fühlt sich am Abend völlig ausgelaugt.
„All das ist Emotional Load und das kostet Kraft“, sagt Susanne Mierau. Sie ist Pädagogin, Bindungsexpertin und Bestsellerautorin. In ihrem neuen Buch „Emotional Load – Wie Mütter frei von emotionaler Überlastung werden“, das am 20. Februar 2025 im Beltz-Verlag erschien, schreibt sie über das Schlichten, Trösten und mitfühlende Begleiten, das besonders Mütter täglich leisten.

Verlagsgruppe Beltz, 2025. Mit Illustrationen von Johanna Augustin. 22,00 Euro.
Der Begriff „Emotional Load“ wurde von der feministischen Comic-Autorin „Emma“ und von der Autorin Patricia Cammarata („Raus aus der Mental Load Falle“) geprägt. Ähnlich wie die „Mental Load“ – die tägliche To-Do-Liste im Kopf vieler Mütter – bezieht sich auch die „Emotional Load“ auf die unsichtbare Arbeit, die in Familien täglich anfällt.
Mit ihrem Buch macht Susanne Mierau diese Arbeit sichtbar. Und sie gibt Ratschläge, wie Mütter Entlastung finden, um an der ständigen Gefühlsarbeit nicht auszubrennen.
Warum ist die Gefühlsarbeit so kräftezehrend?
Kleine Kinder können ihre Gefühle noch nicht so gut selbst regulieren und brauchen die Hilfe ihrer Eltern dafür. Fast alle Eltern kennen den berühmten Wutanfall im Supermarkt, wenn sich das Kleinkind vor den Bonbons auf den Boden wirft. Dass Kinder sich so verhalten, sei ganz normal, sagt Mierau. Aufgabe der Eltern sei es, die Situation auszuhalten und liebevoll für ihr Kind da zu sein.
Doch viele Eltern haben in ihrer Kindheit selbst keine liebevolle Begleitung erfahren. „Manche Mütter und Väter tragen Verletzungen aus der eigenen Kindheit mit sich herum, und neigen dazu, in anstrengenden Situationen harsch oder sogar gewaltvoll zu reagieren“, sagt Mierau. Dann koste es besonders viel Kraft, mit Empathie und Geduld auf das Kind einzugehen.
„Sind noch andere Menschen da, die komisch gucken oder negative Kommentare machen, verursacht das großen Stress.“ Neben ihren Kindern müssten Mütter oftmals noch ihre Erziehungsmethoden vor älteren Verwandten rechtfertigen. Oder zusätzlich ihren Partner besänftigen, der auf das Geschrei der Kinder genervt reagiert. Sie müssen die Stimmung im Raum wahrnehmen, enträtseln und darauf reagieren. Jede Menge Arbeit also – und das nur für das Wohlergehen der anderen.

Anforderungen an Mütter sind hoch
Das Gemeine: All diese Arbeit bringt nicht einmal ein Lob. Im Gegenteil. Bei Frauen und vor allem bei Müttern betrachten wir es als Selbstverständlichkeit, dass sie als Feelgood-Managerin für die gesamte Familie sorgen. Schuld daran ist unsere Sozialisation, sagt Susanne Mierau: „Männliche Pädagogen und Psychologen haben die Mutterrolle über die letzten Jahrhunderte geprägt. Die ganze emotionale Verantwortlichkeit wurde in ihre Hände gelegt.“ Läuft in der Entwicklung eines Kindes etwas schief, geben wir schnell der Mutter die Schuld. Das baut großen Druck auf Frauen auf und macht es schwer, sich der emotionalen Arbeit zu entziehen.
Gleichzeitig wertet unsere Gesellschaft das Weibliche noch immer ab. Auch der Gefühlsarbeit schreiben wir keinen großen Wert zu, sagt Mierau. Kein Wunder also, dass viele Mütter das Gefühl haben, nichts geschafft zu haben, wenn es für das Zuhören und Trösten keine Anerkennung gibt.

Die Pädagogin und Autorin Susanne Mierau. Foto: Privat.
Emotional Load in der Erziehung
Bereits kleine Mädchen lernen durch unsere Erziehung und durch klischeehafte Figuren in Kinderbüchern, dass sie möglichst hilfsbereit und empathisch sein sollen. Von Jungen erwarten wir das weniger stark. Eltern sollten ihren Töchtern beibringen, dass sie nicht für die Emotionen anderer Menschen verantwortlich sind, sagt Susanne Mierau. Und ihren Söhnen, die eigenen Gefühle wahrzunehmen, in Worte zu fassen und Wege zu finden, damit umzugehen.
Auch kleine Kinder können lernen, dass die Kraft der Mutter nicht unendlich ist. Indem man nach einem Gefühlsausbruch des Kindes sagt: „Das war gerade anstrengend für uns beide. Ich koche uns jetzt erstmal einen Tee“, macht man darauf aufmerksam, dass auch das Trösten Energie kostet.
Schnelle Hilfe, wenn alles zu viel wird
Alle wollen etwas von dir und es wird dir zu viel? Dann ist schnelle Hilfe wichtig.
Das kannst du selbst tun:
- Auf Pause drücken! – Setz deine Kinder vor ein Hörbuch und gönn dir einen Kaffee, ganz in Ruhe.
- Rausgehen und tief durchatmen! – Ob ein Spaziergang nur für dich oder fünf Minuten allein im anderen Zimmer. Je nachdem, was gerade möglich ist.
- Nein sagen! – Zugegeben, am Anfang ist das gar nicht so leicht. Aber je öfter du das Neinsagen übst, desto besser gelingt es. Zu deinem Partner, deinen Schwiegereltern, deiner Nachbarin oder der einen Freundin, die immer nur jammert. Sie alle sind erwachsen und sollten selbst Wege finden, mit ihren Launen umzugehen.
- Gute Freundschaften pflegen! – Mit Freunden ist alles viel leichter.
- Tu, was dir Spaß macht! – Ein Hobby kann helfen, wieder aufzutanken. Egal, ob Origami, Yoga oder Grafikdesign. Nimm dir Zeit für dich und fordere sie ein.
- Mach es dir einfach! – An stressigen Tagen muss nicht auch noch frisches Essen auf den Tisch. Eine Tiefkühlpizza tut es auch. Mach dir bewusst, wie viel du täglich leistest und gönn dir Ruhepausen. Immer alles zu schaffen, ist unmöglich und meistens gar nicht nötig.
Das kann dein*e Partner*in tun:
- Beide Eltern sollten sich für die Gefühlsarbeit verantwortlich fühlen und sich damit abwechseln.
- Wenn die Schwiegermutter immer wieder ihre Gefühle bei dir ablädt oder eure Erziehung kritisiert, kann dein Mann ihr freundlich Grenzen aufzeigen.
- „Ruh dich aus, ich mach das schon“ – das sollten wir uns viel häufiger sagen.
- Sprecht immer wieder über die Gefühlsarbeit und überlegt, wie ihr sie als Paar aufteilen könnt.
Was passiert bei zu viel Emotional Load?
Die ungleiche Verteilung der emotionalen Arbeit kann negative Folgen für beide Geschlechter haben, sagt die Pädagogin Mierau. „Wenn Männer nicht lernen, mit ihren Emotionen umzugehen, führt das im schlimmsten Fall zu Femiziden und Gewaltverbrechen an Frauen.“ Umgekehrt würden viele Frauen unter der Last der Gefühlsarbeit ächzen. Auf Dauer steige die Gefahr, eine Angststörung, Depression oder ein Burnout zu entwickeln.
Es sei essenziell, dass Männer lernten, ihre Gefühle wahrzunehmen, zu beschreiben und Verantwortung dafür zu übernehmen – „Mit Büchern, Podcasts, einem Coaching oder einer Therapie.“ Väter sollten ebenso die Gefühle ihrer Kinder begleiten, damit Mütter nicht überlastet werden.
Haben auch Väter Emotional Load?
Beteiligen sich Väter an der Gefühlsarbeit, können sie bei zu viel Emotional Load ebenso ausbrennen wie Mütter. Es sei wichtig, als Paar immer wieder über die anfallenden Aufgaben in der Familie zu sprechen, sagt Mierau, die sichtbaren wie die unsichtbaren. Und sie so zu verteilen, dass kein Elternteil die gesamte Last tragen muss und beide Zeit für Pausen haben.
Die Pädagogin vergleicht die emotionale Last mit einer Wasserflasche. Am Morgen ist die Flasche noch voll. Mit jedem Gefühlsausbruch der Kinder, den wir begleiten, wird etwas Wasser herausgeschüttet. An manchen Tagen ist die Flasche bereits mittags leer. Dann sei es wichtig, Gelegenheiten zu schaffen, um sie wieder aufzufüllen. Durch Pausen, einen Spaziergang oder ein Telefonat mit einer Freundin. „Emotionale Arbeit ist Arbeit“, sagt Mierau. „Und wenn ich bereits einen super anstrengenden Start in den Tag hatte, dann darf ich mir etwas Gutes tun.“
Beitragsbild: Foto von Andrea Piacquadio