Alle Menschen möchten sich mitteilen, egal ob groß oder klein. Für Babys und Kleinkinder ist der Weg, bis sie von ihrem Umfeld wirklich verstanden werden, oft frustrierend. Mit dem Erlernen von einfachen Handzeichen kann dein Baby schon vor den ersten Worten mit dir kommunizieren. Das nimmt Frust und erleichtert den Alltag. Aus den USA ist der Trend der „Babygebärden“-Kurse längst zu uns rübergeschwappt. Wir erklären euch hier genau, was es mit der Zeichensprache auf sich hat.
Babygebärden – kleine sprechende Hände
Jeder kennt diese Momente: Das Baby schreit und man versucht zu verstehen, was es hat oder braucht. Die Nerven sind angespannt. Es ist ein Rätsel raten, was das Schreien oder Glucksen dieses Mal bedeuten mag. Da klingt es doch sehr verlockend, dass es einfache „Babygebärden“ gibt, mit denen man sein kleines Kind besser oder schneller entschlüsseln kann. Der Nachwuchs ist dadurch auch zufriedener und es gibt deutlich weniger Wutanfälle. Gleichzeitig soll sich die Zeichensprache positiv auf die weitere Entwicklung des Kindes auswirken. Sprechen, lesen und sogar schreiben soll später leichter fallen. Viele halten das für Quatsch, anderen erleichtert es den Alltag ungemein.
Babys sind viel mit den Händen beschäftigt, sie zeigen, klatschen winken und spielen mir den Fingern. In einem Kurs für „Babygebärden“ lernst du mit deinem Kind erste Gebärden kennen. Mit verschiedenen Fingerzeichen erfahrt ihr neue Möglichkeiten, euch zu verständigen, noch bevor dein Kind seine ersten Wörter sprechen kann. Dadurch, dass du dein Baby durch die Zeichensprache viel schneller verstehst und entsprechend reagieren kannst, fühlt es sich gesehen und in den Tagesablauf der Familie integriert. Die „Babyzeichen“ beruhen übrigens auf der deutschen Gebärdensprache.
Klar, wir sind instinktgesteuerte Wesen und wissen auch so früher oder später, was das Baby will. Das lange Rätselraten ist aber manchmal auch anstrengend und frustrierend. Wenn Eltern und Baby einfach per Zeichensprache miteinander kommunizieren können, ist vor allem das Baby ausgeglichener, glücklicher und erfährt weniger Frustration. Es kann sich dir mit diesen Handzeichen schon in seinen ersten Lebensmonaten mitteilen und beispielsweise verschiedene Gegenstände und Personen benennen und es kann seine Gefühle und Bedürfnisse klarer ausdrücken. Durch die gesteigerte Kommunikation wird die Bindung gestärkt und eine harmonische Eltern-Kind-Beziehung gefördert. Das führt ganz nebenbei zu mehr Gelassenheit im Familienalltag.
Wann fängt man an?
Es wird empfohlen, mit den „Babygebärden“ im sechsten bis neunten Monat zu starten. Dann sind Babys in der Regel motorisch so weit, ihre Hände entsprechend zu koordinieren und Zeichen zu zeigen. Wenn das Kind winken und zeigen kann, sollte es eigentlich fähig sein, Gebärden zu erlernen. Zu Beginn ist es sinnvoll, Zeichen zu lernen, die für gewisse Grundbedürfnisse des Babys stehen. Das wären beispielsweise Handbewegungen für „essen“, „mehr“, „kuscheln“, „müde“ oder „mir tut etwas weh“.
Während des Lernprozesses spricht man ganz normal mit seinem Kind und untermalt entsprechende Worte oder Bedürfnisse mit dem jeweiligen Handzeichen. So lernt das Kind und kann diese Zeichen nachahmen. Je öfter du diese „Babyzeichen“ wiederholst, umso schneller versteht dein Kind Sinn und Bedeutung. Kleinkinder lernen später zum Beispiel, zu formulieren, dass sie müde sind oder nach Hause wollen. Für Letzteres formen sie die Hände zu einem Dach.
Kurse für „Babygebärden“
Mittlerweile gibt es verschiedene Anbieter für „Babygebärden“-Kurse. Vivian König, die ihre sogenannten „Zwergensprache“-Kurse nach amerikanischem Vorbild entwickelt hat, bietet Schulungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz an. Wer mag, kann sich auch direkt zur Dozentin ausbilden lassen. Die „Zwergensprache“ wurde speziell für hörende Kinder konzipiert und kann sogar Kindern mit einer verzögerten Sprachentwicklung helfen.
Auch babySignal bietet seine Workshops und Schulungskurse zum Thema „Babygebärden“ bundesweit an. Die Kursleiterinnen und Leiter haben eine pädagogische Grundausbildung und verfügen oft auch beruflich über einen entsprechenden Hintergrund. Die „Babygebärden“ sieht man hier als eine ergänzende Bereicherung zu der normalen Sprachentwicklung von kleinen Kindern.
Wer keine Workshops oder Kurse besuchen mag, aber dennoch mehr über dieses Thema erfahren und „Babygebärden“ lernen möchte, der kann zur Literatur greifen. Es gibt verschiedene Bücher, die das Thema ausführlich beleuchten. Die zwei beliebtesten wären das Buch der „Zwergensprache“-Entwicklerin Vivian König. Sie zeigt in ihrem Werk „Das große Buch der Babyzeichen“ knapp 300 verschiedene Gebärden. Ebenfalls beliebt ist das Praxisbuch „babySignal – Mit den Händen sprechen“ von der babySinal-Gründerin Wiebke Gericke. Sie erklärt darin, wie ihr „Babygebärden“ spielerisch in den Alltag integrieren könnt.
Wissenschaftliche Studien
Viele Fragen sich, ob das alles wirklich Sinn macht. Gibt es wissenschaftliche Studien? Ist der positive Effekt auf die Entwicklung belegt? Hier spalten sich die Lager.
In den 1980ern starteten erste Studien zum Thema „Babygebärden“. Linda Acredolo und Susan Goodwyn teilten dazu 100 Kinder im Alter von elf Monaten in drei Gruppen ein. Eine Gruppe, in der die Eltern Gebärden nutzten, eine Gruppe, die besonderen Wert auf die sprachliche Kommunikation legen sollte und eine Gruppe, die von alledem nichts wusste. Sie gingen mit ihren Kindern genauso um, wie auch sonst. Die Kinder wurden dann in regelmäßigen Abständen bis zu ihrem 36. Lebensjahr auf ihre Sprachfähigkeit getestet. Die Kinder der Gebärdengruppe schienen dabei den anderen stets voraus. Allerdings wies diese Studie gravierende methodische Mängel auf und konnte den Vorteil von „Babygebärden“ nicht empirisch evaluieren.
Noch heute zeigen sich die deutschen Wissenschaftler skeptisch. Ihrer Ansicht nach genügen die amerikanischen Studien bis heute gewissen wissenschaftlichen Kriterien nicht. Es ist nicht bewiesen, dass „Babygebärden“ einen positiven Effekt auf die Entwicklung der Kinder haben. Oskar Jenni, Professor für Entwicklungspädiatrie an der Universität Zürich, ist von den Studienergebnissen allerdings nicht überrascht. Für ihn hat jeder intensive Austausch mit dem Kind eine positive Auswirkung auf das kindliche Verhalten und die allgemeine Entwicklung. Ob die verstärkte Beschäftigung durch „Babygebärden“, Sprache, Mimik oder Berührungen stattfindet, ist dabei tatsächlich egal. Zudem kommunizieren Babys und Eltern seit Jahrhunderten über Stimmlaute, Mimik und Körpersprache.
Fazit
Wissenschaftlich gesehen, sollten gesunde Eltern in der Lage sein, ihre gesunden Kinder zu „lesen“ und zu verstehen. Wer sich vorstellen kann, dass „Babygebärden“ den Alltag erleichtern könnten, muss es einfach ausprobieren. Ich habe selbst schon gesehen, wie Eltern mit ihren Kleinkindern gebärdet haben und mir berichten lassen, wie es vieles vereinfacht hat. Bei Babys stelle ich mir das schwieriger vor. Im Großen und Ganzen geht es bei der „Babyzeichensprache“ aber wahrscheinlich ohnehin eher um eine intensive Beschäftigung mit dem eigenen Kind und eine verstärkte Aufmerksamkeit, die man ihm entgegenbringt. Das fördert allgemein die Beziehung und wirkt sich so im positiven Sinne auf das Zusammenleben aus.
Von einem besonderen Effekt auf die Entwicklung des Kindes durch Gebärden, sollte man nicht ausgehen. Weder wird es das Lernen der Sprache vereinfachen, noch später Auswirkungen auf das Lernen an sich haben. Wenn das Kind beim Restaurant jedoch den Wunsch aufzeigt, nach Hause zu fahren, anstatt einen minutenlangen Schreianfall zu bekommen, ist der Alltag sicherlich um einiges entspannter.