Ich kann mich noch gut erinnern, wann ich zum ersten Mal von Kreidezähnen hörte. Wir standen mitten auf einer Wiese im Allgäu und meine Cousine erzählte mir völlig entsetzt davon, dass manche Kinder an porösen Zähnen leiden würden. Und keiner wisse, woher das kommt.
Dass mich dieses Thema kurze Zeit später dauerhaft beschäftigen würde, ahnte ich noch nicht.
- Was sind Kreidezähne?
- Von der Wiese ins Behandlungszimmer
- Kreidezähne – immer mehr Kinder leiden darunter
- Wie sehen Kreidezähne aus?
- Wie und wann entstehen Kreidezähne?
- Ursachen von Kreidezähnen
- Glas statt Plastik, Latex statt Silikon
- Tschüss, Plastik!
- Kreidezähne: Habe ich etwas falsch gemacht?
- Kreidezähne behandeln – erst mal zum Check-up
- Vorbeugung – was hilft gegen Kreidezähne?
- No Sugar, Baby
- Selbst die Wissenschaft tappt im Dunkeln
Was sind Kreidezähne?
Kreidezähne sind poröse und manchmal verfärbte Zähne, die beim Essen und Zähneputzen schmerzen können. Immer mehr Kinder leiden schon im Milchzahnalter daran. Die Behandlung ist schwierig. Weil die Ursachen bis heute nicht vollständig geklärt sind.
MERKE: Kreidezähne haben nichts mit Fluorid-Einlagerungen zu tun, die durch eine zu hohe, frühe Gabe von Fluorid entstehen.
Von der Wiese ins Behandlungszimmer
Als Journalistin hat mich das Phänomen Kreidezähne schon auf der Kuhwiese fasziniert. Als Mutter war ich entsetzt, als mir meine Zahnärztin kurze Zeit später eröffnete, dass auch mein Sohn unter Kreidezähnen, der Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation, kurz MIH, leidet.
Kreidezähne – immer mehr Kinder leiden darunter
Kinder, die an MIH Zähnen leiden, klagen oft über schmerzempfindliche Zähne. Merlin kennt das auch. Mittlerweile ist Studien zufolge jedes 7. Kind von Kreidezähnen betroffen.
Auch unserer Zahnärztin ist aufgefallen, dass die unzureichende Mineralisation der Kinderzähne sprunghaft zunimmt. Besonders betroffen, so sagt sie, seien die Sechsjahresmolaren. Das sind die ersten bleibenden Backenzähne. Drei davon sind auch bei Merlin betroffen. Rund 30 Prozent der Kinder, so erzählt mir die Zahnärztin, die sie behandele, hätten wenigstens einen Kreidezahn. Studien zum Thema belegen ihren Eindruck.
Wie sehen Kreidezähne aus?
MIH Zähne erkennst du an gelblich-bräunlichen oder weißlich-cremefarbenen Verfärbungen auf der Zahnoberfläche. Manche Zähne sind bereits porös und zeigen sogar Furchen an der Oberfläche. Das Schlimmste: Die Zähne sind wahnsinnig empfindlich. Auch Merlin passt auf, dass seine Speisen und Getränke nicht zu heiß oder kalt sind. Denn die an MIH erkrankten Zähne tun extrem weh, wenn sie mit Kaltem oder Heißem in Kontakt kommen.
Wie und wann entstehen Kreidezähne?
Vermutlich entsteht die „Krankheit Kreidezähne“, während die Kinderzähne im Kiefer unbemerkt mineralisieren. Beim Menschen findet dieser Prozess zwischen dem 8. Schwangerschaftsmonat und dem 4. Lebensjahr statt. Es ist noch nicht vollständig geklärt, was währenddessen falsch läuft und für die MIH verantwortlich ist. Am Ende steht jedenfalls ein Zahnschmelz, der zehnmal so viel Eiweiß enthält, wie ein gesunder Zahn und damit extrem weich ist.
Ursachen von Kreidezähnen
Die Forschung hat die Ursachen der MIH-Erkrankung bis heute nicht eindeutig geklärt. Es gibt Hinweise, dass Weichmacher wie BPA bei der Entstehung von Kreidezähnen eine Rolle spielen könnten. Die sollen wie eine Art hormoneller Schadstoff wirken und in den Hormonhaushalt eingreifen, sodass die Zahn-Mineralisierung gestört würde.
Glas statt Plastik, Latex statt Silikon
Unsere Zahnärztin unterstützt diese These. Sie empfiehlt, sämtliches Plastik aus der Baby-Ausstattung zu verbannen. Früher tranken Babys aus Glasflaschen, deren Trinkschnuller aus Naturkautschuk bestand. Und früher, bevor die Kunststoff-Trinkflaschen aufkamen, gab es auch kaum MIH.
Tschüss, Plastik!
Neben den Trinkflaschen und Schnullern für Babys stecken Weichmacher in Getränke- und Konservendosen, Verpackungen, Plastikgeschirr, in Parkscheinen und sogar in manchen Kassenbons. Laboruntersuchungen haben BPA beim Menschen im Blut, Urin, Fruchtwasser und im Gebärmuttergewebe nachweisen.
Kreidezähne: Habe ich etwas falsch gemacht?
Nach der Diagnose brauchte ich drei Tage Zeit, um mich wieder zu fangen. Hatte ich das meinem Kind angetan? Hätte ich vorsichtiger sein müssen? Meine weitere Recherche ergab, dass mittlerweile auch Antibiotika im Verdacht stehen, die Zahn-Mineralisierung zu stören. Das milderte mein schlechtes Gewissen nicht, ganz im Gegenteil. Ich hatte unter der Geburt ein Antibiotikum bekommen, weil zu viel Zeit seit Blasensprung vergangen war.
Kreidezähne behandeln – erst mal zum Check-up
Sobald du Verfärbungen auf den Zähnen deines Kindes bemerkst oder es schmerzempfindliche Zähne hat, ist ein Zahnarzt-Besuch angesagt. Lautet die Diagnose MIH, ist das, wie ich heute weiß, kein Weltuntergang. Die Zahnmedizin kann die Krankheit zwar nicht heilen. Gleichzeitig ist es möglich, Furchen zu versiegeln, die Zähne regelmäßig mit Fluorid zu behandeln und wenn nötig auch zu überkronen. Keine Sorge – diese Leistungen werden von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen.
Vorbeugung – was hilft gegen Kreidezähne?
Gegen Kreidezähne gibt es kein Mittel. Gleichzeitig steht auch bei der Diagnose MIH die Zahn-Hygiene im Vordergrund. Achtet darauf, dass sich eure Kinder regelmäßig, wenigstens zweimal pro Tag, die Zähne putzen. Auch das Ausspülen mit klarem Wasser nach jedem Essen ist hilfreich. Es verdünnt die Säuren, die durch Speisen freigesetzt werden. So können sie den Zähnen kaum noch schaden. Außerdem ist es Pflicht, die Zähne wöchentlich mit Fluorid-Gel zu putzen. Auch wenn wir das jedes Mal durchsetzen müssen, es uns viel Zeit und Kraft kostet – es führt einfach kein Weg daran vorbei.
No Sugar, Baby
Auch eine zuckerarme Ernährung und weitgehender Verzicht auf Säfte und Schorlen und regelmäßige Zahnarzt-Besuche sind Ehrensache. Gerade Kreidezähne sind anfällig für Karies, da ihr Zahnschmelz angegriffen ist und den Zahn nicht richtig schützt. Ob diese Maßnahmen allerdings gegen Kreidezähne vorbeugen, ist höchst fraglich.
Selbst die Wissenschaft tappt im Dunkeln
Mittlerweile habe ich mein schlechtes Gewissen gegen die Erkenntnis getauscht, dass es vollkommen unklar ist, ob ich für Merlins Kreidezähne verantwortlich bin. Schließlich hat selbst die Wissenschaft keine abschließende Idee dazu, warum mein Kind mit weißen Flecken auf den Zähnen und gelegentlichen Schmerzen leben muss. Ich weiß nur, dass es in meiner Verantwortung liegt, das Beste für mein Kind aus dieser Situation zu machen. Und zu erkennen, dass es Schlimmeres gibt als Zahn-Gel, gesunde Ernährung und ein Bewusstsein dafür, dass unsere Gesundheit wertvoll ist. Und spielen, glücklich sein und innige Zeit miteinander zu verbringen, geht auch mit Kreidezähnen.
Quelle:
https://www.netdoktor.de/krankheiten/kreidezaehne/, Dr. Birgit Oberhuber, Nandlstadt