Kinder verbringen einen Großteil ihrer ersten Lebensjahre mit Spielen. Bereits die Kleinsten erkunden unterm bunten Spielbogen Farben, Formen und Geräusche, entdecken an knautschigen Tierfiguren ihre Greiffähigkeit und jauchzen beim Umstoßen vom gestapelten Turm aus Bauklötzen. Eltern vertrauen darauf, dass die Spielzeuge schadstofffrei und ungefährlich sind. Leiden finden sich aber zahlreiche Schadstoffe im Spielzeug, wie Stichproben zum Beispiel von Öko-Test oder dem Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) immer wieder zeigen. Wir verraten dir, worauf du bei der Auswahl von Spielzeug für dein Kind achten solltest, um Chemikalien und andere gesundheitsgefährdende Stoffe in Puppen, Bastelsachen und Spielgeräten zu erkennen.
Welche Schadstoffe im Spielzeug gibt es?
Um die Spielzeuge besonders bunt zu machen, ihnen genügend Härte oder auch Flauschigkeit zu verleihen und möglichst wirtschaftlich zu produzieren, verwenden Hersteller zahlreiche Chemikalien. Diese machen sich als Schadstoffe im Spielzeug bemerkbar. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich viele dieser Stoffe aus dem Produkt lösen und dann durch die Haut in den Organismus der Kinder eindringen. Besonders bedenklich: Sehr oft werden Grenzwerte überschritten und auch die Kontrollen lassen – vor allem bei Produkten aus dem Onlinehandel – zu wünschen übrig.
Zu den am häufigsten verwendeten Chemikalien zählen:
Azofarbstoffe
- Können im Körper des Menschen zu krebserregenden Stoffen abgebaut werden
- Einige dieser Farbstoffe sind EU-weit in Gebrauchsgegenständen verboten (auch in Kinderspielzeug und Textilien)
- Spielwaren aus Nicht-EU-Ländern häufig mit bedenklichen Azofarbstoffen versetzt
Bisphenol-A
- Wird benötigt, um durchsichtige Kunststoffe herzustellen (z. B. für Trinkflaschen und Schwimmbrillen)
- Die Chemikalie kann die Sexualentwicklung beeinträchtigen
Duftstoffe
- Können Kontaktallergien verursachen
- In der EU-Spielzeugrichtlinie werden 55 Duftstoffe aufgelistet, die den Grenzwert von 100 mg je kg im Spielzeug nicht überschreiten dürfen
- Elf zusätzliche allergene Duftstoffe müssen laut Richtlinie auf der Verpackung erwähnt werden, sofern sie den Grenzwert überschreiten
Formaldehyd
- Einsatz in Kunstharzen und Klebstoffen (kann daher in Spielwaren aus geleimtem Holz und Sperrholz vorkommen)
- Tritt als riechendes Gas aus und führt zu Augenreizungen, Husten, Kopfschmerzen
- Lagert sich zwar nicht im Körper an, kann aber bei hoher Belastung Krebserkrankungen auslösen
N-Nitrosamine und nitrosierbare Amine
- Gelten als stark krebserregend
- Entstehen beim Herstellen von Natur- und Synthesekautschuk
- Betroffen sein können deshalb Schnuller, Sauger von Babyflaschen, Gummistiefel und Luftballons
Phthalate
- Weichmacher, die z. B. in Plastikfiguren, Planschbecken, Schlauchbooten, Schwimmreifen und -flügeln, aufblasbaren Tieren, bedruckten Kindertextilien, Stoppersocken, Innenraumverkleidungen vom Kinderwagen und Wickelunterlagen vorkommen
- Einige dieser Stoffe können Diabetes Typ 2 fördern und stehen u. a. in Verdacht die Fruchtbarkeit von Männern zu beeinträchtigen
- Phthalate sind in der EU u. a. in Spielzeug für Babys und Kleinkinder verboten
- In Plastikspielzeug für ältere Kinder ist der Schadstoff allerdings weiterhin erlaubt und ist in vielen Weich-PVC-Produkten enthalten
Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK)
- Kommen natürlicherweise in Kohle und Erdöl vor
- Einige PAK gelten als krebserregend und erbgutschädigend, z. B. Benzo(a)pyren
- Hohe PAK-Werte wurden u. a. in Puzzlematten, Fahrradlenkergriffen und Badesandalen nachgewiesen
- PAK-Grenzwerte traten erst 2015 in Kraft, daher hohe Belastung vor allem älterer Produkte möglich
Schwermetalle
- Gelangen z. B. als Farbpigmente oder Katalysatoren ins Kinderspielzeug
- Nehmen Kleinkinder gefärbtes Spielzeug in den Mund, können sich Lacksplitter und Farbreste lösen, die die Kinder herunterschlucken
- Schwermetalle wie Blei, Barium, Quecksilber, Arsen und Nickel werden im Körper angereichert und können langfristige gesundheitliche Schäden nach sich ziehen
Zinnorganische Verbindungen
- Gelten als hochgiftig und kommen z. B. als Stabilisatoren bei der PVC-Herstellung zum Einsatz
- Mögliche Schäden sind Störungen des Hormonsystems und Nervenschäden
Schadstoffe im Spielzeug: Woran erkenne ich sie?
Schadstoffe im Spielzeug zu erkennen, fällt nicht immer leicht. Viele Chemikalien können Eltern durch eine schnelle Geruchsprobe nicht ausfindig machen. Dennoch empfehlen Experten damit zu starten. Eltern sollten das Spielzeug im Geschäft oder nach Lieferung auf „sichtbare, riechbare oder fühlbare Fehler“ hin untersuchen, schreibt die die Verbraucherzentrale. Denn nicht nur lassen Eltern lieber die Finger von offensichtlich chemisch riechenden Produkten. Auch geben Fehler in der Verarbeitung Grund zu der Annahme, dass der Hersteller es in Bezug auf Schadstoffe und die Einhaltung von Grenzwerten ebenfalls nicht so genau nimmt. Eltern sollten auch prüfen, ob das Spielzeug beim Reiben abfärbt. Wichtig ist auch der Blick auf Prüfsiegel. Fehlen diesen, heißt es ebenfalls „Lieber Finger weg.“
Vor allem bei Produkten, die online vertrieben und gekauft werden, kommt es zu Überschreitungen oder gar Nichteinhaltung von Grenzwerten. Hohe Schadstoffe im Spielzeug sind die Folge. Ein Rechtsgutachten und eine Marktrecherche des BUND zeigen, dass bestehende Gesetze nicht schnell genug an den boomenden Onlinehandel angepasst werden. Das führt dazu, dass Europäische Überwachungsbehörden in Spielzeug immer wieder gefährliche Chemikalien finden – der Internethandel wird bei Weitem nicht so überprüft wie der stationäre Handel, wie BUND-Geschäftsführerin Antje von Broock erklärt.
Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen gibt Eltern hilfreiche Tipps, wie sie sicheres Spielzeug für ihre Kinder auswählen:
Gebrauchte Spielwaren: Achtung bei älteren Produkten
Bestimmte Schadstoffe im Spielzeug kamen in der Vergangenheit noch stärker vor als heutzutage. Da es früher noch keine oder höhere Grenzwerte gab – die Verwendung von bestimmten Phthalaten ist z. B. in der EU erst seit 2005 in Spielzeugen verboten –, sind ältere Spielzeuge häufig mit deutlich mehr Schadstoffen belastet. Zwar ist der Nachhaltigkeitsgedanke beim Kauf von gebrauchten Spielzeugen grundsätzlich richtig, allerdings sollten Eltern dabei eher auf weniger bedenkliche Materialien wie Hartplastik oder unbehandeltes Massivholz setzen.
Welche Siegel gibt es?
Es gibt verschiedene Siegel, die Eltern dabei helfen, sichere Spielwaren für ihre Kinder auszuwählen. Dazu zählen u. a. das Siegel „Geprüfte Sicherheit“ (GS), das CE-Zeichen sowie das „Spiel gut“-Siegel. Spielwaren ohne das CE-Zeichen sollten Eltern gar nicht kaufen; das GS-Siegel gibt ihnen zusätzlich die Sicherheit, dass gesetzliche Anforderungen u. a. in Bezug auf Schadstoffe eingehalten werden.
Die Verbraucherzentrale hat die wichtigsten Siegel und ihre Bedeutung aufgelistet.
Tipps für Spielzeuge aus unterschiedlichen Materialien
Schadstoffe im Spielzeug können sich in so gut wie jedem Material verbergen – Kunststoff, Holz, aber auch Stoff und mehr. Die Verbraucherzentrale hat die wichtigsten Tipps zum Umgang mit Spielwaren aus verschiedenen Materialien zusammengestellt. Was Eltern bei der Auswahl der Spielwaren beachten sollten, erfährst du hier:
Spielzeug aus Plastik
- Weichmacher werden verwendet, um Kunststoffe biegsam zu machen
- Sie sind geruchslos und können daher nicht durch einen Geruchstest erkannt werden
- Für manche Weichmacher gibt es Grenzwerte, für andere nicht
- Spielzeug aus bunter Hartplastik besteht häufig aus dem unbedenklichen Kunststoff Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymer (ABS)
- Für durchsichtige Hartplastikprodukte werden allerdings häufig Polycarbonate verwendet, die schädliche Stoffe freisetzen können
- Hersteller unterliegen keiner Kennzeichnungspflicht für Kunststoffe – deswegen im Zweifel nachfragen
Tipps für Eltern:
- Plastikspielzeug sollte eher aus PE (Polyethylen), PP (Polypropylen) oder ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymer) bestehen, da diese Kunststoffe ohne zugesetzte Weichmacher auskommen
- Keine billigen No-Name-Produkte aus Weichplastik kaufen (z. B. enthalten die bei Kindern beliebten Squishies schädigende Chemikalien)
- Auf den Hinweis PVC-frei achten
- Sofern PVC nicht umgangen werden kann, dann zumindest nur Produkte mit dem Hinweis „phthalatfrei“ auswählen
- Keine älteren, gebrauchten Spielsachen aus Weichplastik kaufen, da früher die heutigen Grenzwerte noch nicht existierten und die Produkte häufig viel stärker belastet sind
Spielzeug aus Holz
- Holz ist grundsätzlich ein gutes Material für Kinderspielzeug – in Tests und Untersuchung schneiden viele Holzspielzeuge gut ab
- Stammt der Rohstoff aus nachhaltiger Waldwirtschaft, erkennen Eltern das an Siegeln wie FSC oder Naturland
Tipps für Eltern:
- Möglichst auf Produkte aus Sperrholz und Pressspan verzichten – hier kommt häufig Formaldehyd zum Einsatz
- Unbehandeltes Massiv- oder Vollholz sollte die erste Wahl sein
- Eltern sollten bei bunten Holzspielwaren darauf achten, dass die eingesetzten Farben und Lacke der Spielzeugnorm DIN EN 71-3 entsprechen
- Vorsicht bei Holzbuntstiften: Hier werden oftmals viele Schadstoffe festgestellt – Eltern sollten auf Testsiegel und Prüfzeichen achten und eher zu unlackierten Stiften greifen, wenn das Kind dazu neigt, die Stifte in den Mund zu nehmen
Spielzeug aus Metall
- Viele Modell- oder Metallbaukästen setzen laut Untersuchungen das Schwermetall Nickel frei
Tipps für Eltern:
- Bei Metallbaukästen und anderen Spielwaren aus Metall auf das GS-Zeichen achten (das Siegel bestätigt, dass die gesetzlichen Anforderungen auch in Bezug auf Nickel beachtet werden)
Plüsch- und Stofftiere
- Auch in Teddys und Co. verbergen sich nicht selten Schadstoffe
- Bei Produkten, die Siegel wie IVN (Internationaler Verband der Naturtextilwirtschaft) oder GOTS (Global Organic Textile Standard) tragen, wird besonders auf ökologische und soziale Kriterien geachtet (chemische Zusätze müssen vor dem Einsatz geprüft werden, Textil-Fasern müssen aus Bio-Anbau stammen usw.)
- Beim OEKO-TEX STANDARD 100-Siegel wird dagegen nur das fertige Spielzeug auf bestimmte Schadstoffe hin überprüft
Tipps für Eltern:
- Auf die oben genannten Siegel achten
- Stoffspielzeug vor der ersten Benutzung waschen
- Bänder und Schleifen am besten entfernen, weil sie nicht nur oft abfärben, sondern auch gesundheitsschädliche Farbstoffe enthalten können
Schleim, Knete, Fingerfarben und Straßenmalkreide
- Alle von der Stiftung Warentest untersuchten Schleime enthielten 2018 schädigende Borsäure, die meisten lagen sogar deutlich über dem Grenzwert
- Auch Knetmassen sind oftmals mit Schadstoffen belastet, darunter Mineralölkohlenwasserstoffe (2020 fielen sieben von 20 getesteten Kneten bei einer Untersuchung von Öko-Test durch)
- Fingerfarben enthielten früher noch häufig gesundheitsschädigende Konservierungsstoffe – das ist laut Öko-Test mittlerweile besser geworden
- Bunte Straßenmalkreide kann krebserregende Stoffe enthalten, weiße Kreide ist dagegen unbedenklich
Tipps für Eltern:
- Schleim am besten selbst herstellen – tolle Rezepte finden Eltern und Kinder im Internet
- Auch Knete lässt sich einfach zuhause produzieren – Ideen gibt’s zum Beispiel auf der Seite von Öko-Test
- Bei Fingerfarben sollten Eltern Produkte aus Lebensmittel- oder Pflanzenfarben wählen, am besten ohne Konservierungsstoffe
- Lieber auf weiße Kreide setzen oder aus Gips und färbenden Lebensmitteln selbst Kreide basteln
Kinderschminke
- Viele getestete Kinderschminksets enthielten in Untersuchungen Schadstoffe wie PAK, verbotene Konservierungsmittel und Duftstoffe
Tipps für Eltern:
- Auf Naturkosmetik setzen
- Geruchslose Schminke kaufen
- Besser wasserlösliche Aquaschminke nutzen, da sie sich leichter entfernen lässt als Schminke auf Fettbasis
Fazit
Schadstoffe im Spielzeug sind leider keine Seltenheit und trotz aktualisierten Grenzwerten und strengeren Kontrollen enthalten Bälle, Teddys, Puppen und Co. oftmals Chemikalien, die die Gesundheit schädigen können. Vor allem bei Produkten aus dem Onlinehandel müssen Gesetzgeber nachbessern, um Eltern zu unterstützen und Kinder zu schützen.
Wer auf einige Tipps achtet und mehr auf Qualität als Quantität setzt, kann allerdings einige Schadstoffe im Spielzeug vermeiden.