Nein, nicht ausmachen, nur noch ganz kurz… Eltern kennen die Diskussion um Bildschirmzeiten. Den bettelnden Nachwuchs, die Tränen, wenn Mama oder Papa den Fernseher ausschalten oder das Tablet einkassieren. Medien sind in der Lebenswelt von Kindern heute noch präsenter als früher, denn dank Smartphone und mobilem Internet sind sie ständig und überall verfügbar. Den Konsum zu regulieren, stellt Familien vor große Herausforderungen. Welche Inhalte sind förderlich und altersgerecht? Und wann ist zu viel zu viel? In einer neuen Serie gehen wir der Frage nach, wie Kinder sinnvoll an verschiedene Medien herangeführt werden können. Heute: Fernsehen.
Ist Fernsehen heute noch dasselbe wie früher?
Wusstet ihr, dass es in den USA spezielle Fernsehsendungen für Babys gibt? „Baby First“ richtet sich an Kinder im Alter von 0 bis 3 Jahren. Das Programm soll sie altersgerecht unterhalten und zur Sprachförderung des Nachwuchses beitragen. Und wer jetzt denkt, davon sind wir in Deutschland noch weit entfernt – der Sender hat bereits einen YouTube-Kanal mit deutschen Inhalten. Und schon 2007 ergab eine Erhebung des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen, dass 20 Prozent aller Einjährigen regelmäßig fernsehen. In Deutschland.
Wenn wir von Fernsehen sprechen, denken wir meist noch immer an die Flimmerkiste im Wohnzimmer mit ihrem linearen Programm. Doch längst werden Serien und Filme auch auf dem Computer, Smartphone oder Tablet geschaut. Damit ist der Konsum nicht mehr an einen Ort gebunden. Beim Haare schneiden oder im Wartezimmer des Arztes können sich Eltern mit Videos mal ein kurzes Stillsitzen erkaufen. Wenn daher in diesem Beitrag von Fernsehen die Rede ist, sind damit alle Medienträger gemeint, auf denen Videos, Filme und Serien gesehen werden können.
Kinder müssen auch nicht mehr bis zum nächsten Tag warten, bis endlich nachmittags ihre Lieblingssendung läuft. Über YouTube, Mediatheken oder Streamingdienste sind Peppa Wutz, Paw Patrol oder Shaun das Schaf immer präsent. Man kann sich jederzeit eine Folge ansehen – oder gleich mehrere hintereinander.
Einen guten Umgang mit dieser medialen Dauerpräsenz zu finden, fordert Eltern heute sicher mehr als noch eine Generation zuvor.
Was Experten empfehlen
„Wird der Bildschirm eingeschaltet, wirkt das Kind in dem Moment wie hypnotisiert – geradezu paralysiert“, sagte uns der Kinderarzt Özgür Dogan im Interview. „Man hat das Gefühl, im Gehirn passiert nicht mehr viel. Aus komplexem Entdecken und Kombinieren wird stupides Schauen.“
Einig sind sich die Experten darin, dass Kinder kein Fernsehen brauchen. Wenn sie spielen, basteln, toben oder Freunde treffen, lernen sie alles, was für ihre Entwicklung wichtig ist. Eine Förderung, die angeblich nur Bildschirmmedien leisten können, ist Quatsch.
Richtig ist aber auch, dass digitale Medien manchmal eine Ergänzung sein können und einen Lernprozess unterstützen. Nach einem Zoobesuch ein Video anzuschauen, das das neue Lieblingstier in seinem natürlichen Lebensraum zeigt, ist eine tolle Sache.
Das Informationsportal www.kindergesundheit-info.de der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), aber auch andere Quellen, geben folgende Empfehlungen zur Bildschirmzeit:
- Unter 3 Jahren: Am besten gar nicht fernsehen.
- Zwischen 3 und 6 Jahren: Maximal 30 Minuten und am besten nicht täglich.
- Zwischen 6 und 10 Jahren: Maximal 45 bis 60 Minuten. Auch hier gilt: am besten nicht täglich.
In der Realität der meisten Familien ist ein kompletter Fernsehverzicht utopisch. Und sei es nur, weil man als Elternteil mal eine kurze Verschnaufpause braucht und den Kindern für zehn Minuten ein Video zugesteht. Das muss man nicht verteufeln. In einem lesenswerten Beitrag auf Spiegel.de sagt der Medienpsychologe Malte Elson von der Ruhr Universität Bochum: „Ich halte diese Empfehlungen für vernünftig, aber man darf sie nicht überschätzen, sie sind nicht empirisch fundiert. Da hat niemand eine Studie durchgeführt und gemerkt: Das ist die magische Anzahl an Minuten pro Tag. Sondern da haben sich Pädagogen zusammengesetzt und überlegt, was sinnvoll ist.“ Und weiter sagt er: „Wenn es mal eine Viertelstunde mehr ist oder eine halbe, dann ist das auch nicht schlimm.“
Die oben genannten Zeiten können also als Richtwerte dienen, sind aber nicht in Stein gemeißelt. Letztlich hängt es vor allem vom Kind selbst ab, wie viel Fernsehen es „verträgt“. Auf dem Infoportal „Bildschirm frei bis 3“ der Privaten Universität Witten/Herdecke finden Eltern einen Medienreife-Test.
Eltern können außerdem auf folgende Anzeichen achten:
- Wirkt das Kind nach dem Fernsehen teilnahmslos, gelangweilt oder aggressiv?
- Kann sich das Kind nach dem Fernsehen nicht mehr auf andere Dinge konzentrieren?
- Ist das Kind nach dem Fernsehen überdreht?
Das können Hinweise dafür sein, dass die Bildschirmzeit zu lang war.
Wie kann ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Fernsehen aussehen?
Vier generelle Regeln scheinen sinnvoll:
- Der Fernseher sollte nicht als Dauerbeschallung im Hintergrund laufen.
- Beim Essen bleibt der Fernseher aus.
- Auch vor dem Schlafengehen (ca. eine Stunde vorher) sollten Kinder besser nicht mehr fernsehen.
- Ein Fernseher gehört nicht ins Kinderzimmer.
Je jünger die Kinder sind, desto eher brauchen sie tatsächlich Begleitung beim Fernsehen. Man kann sich das wie beim gemeinsamen Vorlesen vorstellen. Die Eltern sprechen mit ihnen über die Geschichte, erklären, was die Kinder nicht verstehen, merken, wenn ein Bild oder eine Textstelle Ängste auslöst. Genauso macht es auch beim Fernsehen Sinn, mit den Kleinen gemeinsam ein Video oder eine Sendung anzuschauen. Zumal jüngere Kinder die Bildschirmwelt noch nicht so leicht von der realen Welt unterscheiden können. Auch Werbung nehmen sie noch nicht als solche wahr.
Um Kindern ein Zeitgefühl für den Fernsehkonsum zu vermitteln, kann es helfen, anfangs ein akustisches Signal einzuführen. Einen Timer, der nach einer Viertelstunde oder einer halben Stunde das Ende der Guck-Zeit ankündigt. Später sollten Kinder aber lernen, von sich aus Absprachen einzuhalten.
Ausnahmen sind natürlich erlaubt, z.B. an Schlechtwettertagen oder wenn das Kind krank ist. Umgekehrt sollte es auch medienfreie Tage geben, an denen ein schöner Ausflug oder Besuch geplant wird.
Älteren Kindern kann man mehr Eigenverantwortung zutrauen. Eine gute Lösung sind Mediengutscheine. Mit ihnen kann sich das Kind eine Woche lang die Zeit vor dem Bildschirm selbst frei einteilen.
Immer wieder wird auch genannt: Eltern sollen Vorbilder sein. Wer selbst kaum das Smartphone aus der Hand legt oder vor dem Fernseher sitzt, während die Kinder in ihrem Zimmer spielen sollen, wird es schwerer haben, Regeln durchzusetzen.
Wo finden Eltern altersgerechte Filme und Serien?
Die Frage, wie lange ein Kind fernsieht, ist mitunter weniger wichtig als die Frage, was es da eigentlich sieht. Fernsehangebote und Videos sollten ausgewählt werden wie gute Bücher. Dazu müssen Eltern nicht alles vorher selbst gesehen und für gut befunden haben.
Es gibt die Alterskennzeichnungen FSK und FSF. Dabei handelt es sich allerdings um Freigaben nach dem gesetzlichen Jugendschutz, sie stellen also keine pädagogischen Altersempfehlungen dar.
Diese Webseiten helfen Eltern bei der Auswahl:
Flimmo
Der Elternratgeber bewertet TV-Sendungen nach einem Ampelsystem und gibt eine Altersempfehlung. Auch eine gezielte Suche nach Titeln oder Empfehlungen für eine bestimmte Altersgruppe ist möglich.
Hanisauland
Hier besprechen und empfehlen Fachleute aktuelle Filme für Kinder.
KinderFilmWelt
Auch hier werden Eltern auf der Suche nach geeigneten Filmen für den Nachwuchs fündig.
Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender
Eine gute Fundgrube für altersgerechte Angebote sind auch die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Kinderprogramme:
- ARD checkeins.de/videos
- ZDF https://www.zdf.de/kinder
- Kinderkanal Kika www.kika.de/videos
für kleine Kinder von 3 bis 6 Jahren gibt es mit der Sendung Kikaninchen ein spezielles Angebot. - WDR neuneinhalb.wdr.de
Foto oben: Alexander Dummer/Unsplash