Für hochsensible Personen ist die Geburt eines Kindes Segen und Fluch zugleich. Denn mit einem Kind wird das Leben reicher und reizvoller – im positiven wie im negativen Sinn. Hochsensible Menschen reagieren schneller und intensiver auf Reize, erleben Emotionen sehr stark, eignen sich Wissen besonders detailliert, teils exzessiv an und leiden unter Stress in besonderem Maße. Für Familien kann Hochsensibilität besondere Herausforderungen, aber auch einzigartige Stärken mit sich bringen. Wir widmen uns dem Thema Hochsensibilität bei Müttern und Vätern genauer, und geben praktische Tipps, wie hochsensible Eltern den Alltag meistern können.
Hochsensibilität bei Müttern und Vätern erkennen
Hochsensibilität ist zunächst einmal keine Krankheit, sondern ein Wesenszug, eine Veranlagung. Hochsensible Menschen gelten oft als dünnhäutig, als nicht tough genug für diese Welt, als zu weich. Dabei ist Hochsensibilität keine Schwäche; hochsensible Menschen profitieren in vielen Fällen von diesem besonderen Charakterzug, der laut Studien bei 20 bis 30 Prozent aller Menschen auftritt. Allerdings müssen sie wissen, wie sie sich in Stresssituationen selbst helfen und sich davor schützen, aus dem Gleichgewicht zu geraten.
Dr. Elaine Aron, Dr. der klinischen Tiefenpsychologie und Expertin im Bereich Hochsensibilität, benennt die vier Merkmale der Hochsensibilität wie folgt:
- Gründliche Informationsverarbeitung
- Physiologische Übererregbarkeit
- Intensives emotionales Erleben
- Sensorische Empfindlichkeit
Was bedeutet das konkret? Hinter der Hochsensibilität verbirgt sich weit mehr als nur eine ausgeprägte Sensibilität. Hochsensible Menschen nehmen Reize intensiver wahr und reagieren stärker auf Umweltfaktoren. Für Mütter und Väter kann das bedeuten, dass sie besonders empathisch und aufmerksam sind, aber gleichzeitig schneller überfordert und gestresst. Zu den Merkmalen hochsensibler Eltern gehören eine tiefe emotionale Verarbeitung, eine erhöhte Empfänglichkeit für die Stimmungen anderer und eine starke Reaktion auf Lärm und Chaos.
„Wenn ich in den Supermarkt komme, bemerke ich zuerst den Temperaturunterschied. Gleichzeitig höre ich die Rollen des Einkaufswagens auf dem Boden schleifen, das Piepsen der Kassen. Ich höre die Gespräche der anderen Kundinnen und Kunden, das Rascheln, wenn Waren in die Einkaufswagen gelegt werden, die Musik, die Werbeslogans – alles zur selben Zeit und in derselben Lautstärke. Ich nehme die Gerüche sehr penetrant wahr: den Bäckerstand, das Parfüm einer anderen Person, die Ware. Das Licht der Neonröhren blendet mich. Das alles ist schon zu viel und wenn ich dann noch ein Kind sehe, was weint, dann kann ich kaum mehr an mich halten“, schildert Chris Gust in einem NDR-Artikel ihr Leben mit Hochsensibilität.
Der Unterschied zur „normalen“ Sensibilität liegt in der Intensität der Wahrnehmungen und Reaktionen. Während sensible Menschen bestimmte Reize als störend empfinden, erleben hochsensible Personen diese oft als überwältigend. Hochsensible Mütter und Väter können bereits durch alltägliche Geräusche oder Lichtverhältnisse stark beeinflusst werden. Es ist wichtig, sich dieser Merkmale bewusst zu sein, um besser mit ihnen umgehen zu können.
Im Podcast go, hug yourself erzählt die Autorin Kathrin Borghoff von ihrem Leben als hochsensible Mutter. Sie beschreibt im Gespräch unter anderem die Situation eines Restaurantbesuchs mit einem hochsensiblen Menschen: „Uns Hochsensiblen wird dann ganz gerne mal vorgeworfen: Du hörst ja gar nicht richtig zu. Das stimmt überhaupt nicht. Die Wahrheit ist, dass so ein hochsensibler Mensch an diesem Tisch sitzt und nicht nur einfach das Gespräch verfolgt, das er gerade mit dem Menschen ihm gegenüber führt, sondern tatsächlich die Gespräche an den Nebentischen auch noch hören und wahrnehmen kann.“
Herausforderungen hochsensibler Mütter im Wochenbett
Schwangerschaft und die Geburt eines Kindes kann die Hochsensibilität bei Müttern schnell anfeuern. Das dann folgende Wochenbett ist eine Zeit großer Veränderungen und Herausforderungen. Für hochsensible Mütter kann diese Phase besonders intensiv sein. Emotionale und körperliche Belastungen sind im Wochenbett normal, doch für hochsensible Mütter können diese Situationen die Welt aus den Fugen heben. Die Reizüberflutung durch den neuen Alltag, das Baby und der Wandel – alles das kann sehr überwältigend sein.
Ein wichtiger Schritt ist, diese Empfindungen zu erkennen und zu akzeptieren. Es ist in Ordnung, sich überfordert zu fühlen und Hilfe zu suchen. Pausen und Ruhephasen sind unerlässlich, um sich zu erholen und wieder Kraft zu tanken. Es ist ratsam, dass hochsensible Mütter nicht zu viele Besucher im Wochenbett empfangen, um eine zusätzliche Reizüberflutung zu vermeiden.
Ein weiterer Aspekt ist der Schlafmangel, der sowohl im Wochenbett als auch in den Monaten, teils Jahren danach zum Leben von Eltern dazugehört. Für hochsensible Menschen kann er besonders herausfordernd sein. Wichtig ist, von Anfang an, auf einen möglichst geregelten Schlafrhythmus zu achten. Der Partner oder die Familie können helfen, die Schlafsituation zu verbessern und somit das Wohlbefinden zu steigern.
Die Vielzahl an neuen Aufgaben und die große Verantwortung, die mit Schwangerschaft und Geburt auf die Eltern zukommt, kann für hochsensible Menschen – vor allem Mütter im Wochenbett – eine extreme Herausforderung darstellen. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass nicht alles perfekt sein muss. Auch hier ist Hilfe wichtig. Partner oder Familienmitglieder können bestimmte Aufgaben übernehmen, damit sich die Eltern auf das konzentrieren können, was wirklich zählt – die Bindung zum Baby und die eigene Erholung.
Hochsensibilität bei Müttern und Vätern – Tipps für den Alltag
Auch nach dem Wochenbett bleibt Selbstfürsorge das A und O für hochsensible Mütter und Väter. Regelmäßige Pausen und Auszeiten sorgen dafür, die Energiereserven aufzufüllen. Es ist wichtig, sich Zeit für sich selbst zu nehmen, sei es durch ein heißes Bad, eine Tasse Tee oder einen kurzen Spaziergang. Kleine Rituale im Alltag können dazu beitragen, sich zu entspannen und die innere Balance zu finden.
Eine gute Organisation und Struktur im Familienleben kann ebenfalls hilfreich sein, um auf die Hochsensibilität bei Müttern und Vätern zu reagieren. Feste Routinen geben Sicherheit und reduzieren Stress. To-do-Listen und Wochenpläne helfen, den Überblick zu behalten und Prioritäten zu setzen. Hochsensible Eltern sollten darauf achten, nicht zu viele Aufgaben auf einmal zu übernehmen und sich realistische Ziele zu setzen.
Die Kommunikation mit dem Partner ist im Leben hochsensibler Eltern entscheidend. Offen über die eigenen Bedürfnisse und Empfindungen zu sprechen, schafft Verständnis und Unterstützung. Der Partner kann Aufgaben übernehmen und für Entlastung sorgen. Gemeinsame Absprachen und eine klare Aufgabenverteilung sind dabei wichtig. Es kann förderlich sein, regelmäßige Paarzeiten einzuplanen, um die Beziehung zu pflegen und als Team zusammenzuwachsen. Das tut dem Familienleben gut und erleichtert den Umgang mit Hochsensibilität bei Müttern und Vätern.
Auch der Einsatz von Entspannungstechniken im Alltag kann hochsensible Mütter und Väter dabei unterstützen, besser mit der Hochsensibilität umzugehen. Techniken wie Meditation, progressive Muskelentspannung oder Atemübungen können helfen, zur Ruhe zu kommen und das Stresslevel zu senken. Diese Übungen lassen sich oft gut in den Alltag integrieren und eignen sich gut als Stress senkendes Mittel in kurzen Pausen.
Unterstützung durch die Familie
Eine klare Rollen- und Aufgabenverteilung innerhalb der Familie kann den Alltag erleichtern. Der Partner sollte aktiv in die Betreuung des Kindes und die Hausarbeit eingebunden sein. Ältere Geschwister können ebenfalls kleine Aufgaben übernehmen und so zur Entlastung beitragen.
Auch andere Familienmitglieder können eine wertvolle Unterstützung sein. Großeltern, Geschwister oder Freunde können entlasten, indem sie Aufgaben übernehmen oder einfach nur zuhören und da sind. Es ist wichtig, um Hilfe zu bitten und diese anzunehmen. Ein unterstützendes Netzwerk kann den Alltag hochsensibler Eltern sehr viel angenehmer, einfacher und leichter machen und helfen, mit Hochsensibilität bei Müttern und Vätern umzugehen.
Die Einbindung des Partners und anderer Familienmitglieder ist nicht nur im Alltag, sondern ebenso in Krisenzeiten von großer Bedeutung. Sind hochsensible Eltern besonders gestresst oder überfordert, ist es hilfreich, wenn der Partner oder Familienmitglieder, zusätzliche Verantwortung übernehmen und für Entlastung sorgen – sei es, indem sie bestimmte Aufgaben übernehmen oder einfach emotionale Unterstützung bieten. Hochsensible Mütter und Väter benötigen oft viel Verständnis und Rückhalt. Ein offenes Ohr und ein liebevoller Umgangston können viel bewirken und das Familienleben harmonischer gestalten.
Umgang mit Stress und Überforderung
Stress und Überforderung sind häufige Begleiter hochsensibler Mütter und Väter. Es ist wichtig, Techniken zur Entspannung und Stressbewältigung zu entwickeln. Atemübungen, Meditation und Yoga können dabei unterstützen, sich auszuruhen. Regelmäßige Bewegung an der frischen Luft kann ebenfalls dazu beitragen, Stress abzubauen und das Wohlbefinden zu steigern.
Manchmal ist es bei Hochsensibilität bei Müttern und Vätern zudem notwendig, Hilfe von außen in Anspruch zu nehmen. Beratungen und Selbsthilfegruppen bieten Unterstützung und einen Austausch mit anderen Betroffenen. Hier können Eltern Tipps und Strategien erhalten, um besser mit ihrer Hochsensibilität umzugehen. Professionelle Unterstützung durch einen Therapeuten oder Coach kann ebenfalls hilfreich sein.
Auch der bewusste Umgang mit Medien und sozialen Netzwerken kann helfen, Stress und Überforderung zu reduzieren. Hochsensible Mütter und Väter sollten darauf achten, sich nicht zu viel mit negativen Nachrichten oder belastenden Inhalten zu beschäftigen. Stattdessen können inspirierende und positive Inhalte dazu beitragen, die Stimmung zu verbessern und zu motivieren.
Es ist zudem wichtig, sich regelmäßig Auszeiten zu gönnen und sich nicht ständig unter Druck zu setzen. Hochsensible Eltern müssen ihre eigenen Bedürfnisse ernst nehmen und dürfen sich selbst nicht überfordern. Kleine Pausen im Alltag, in denen man sich bewusst entspannt und zur Ruhe kommt, können wahre Wunder wirken.
Langfristige Strategien
Der Aufbau eines unterstützenden Netzwerks ist für hochsensible Menschen entscheidend. Freundschaften und Kontakte zu anderen Müttern und Vätern, die ähnliche Erfahrungen teilen, können eine große Hilfe sein. Gemeinsam lassen sich Herausforderungen besser bewältigen und es entsteht ein Gefühl von Zusammenhalt. Hochsensible Eltern sollten aktiv nach solchen Kontakten suchen und sich regelmäßig mit ihnen austauschen.
Selbstakzeptanz und eine positive Einstellung sind ebenfalls wichtig. Es ist wichtig, dass hochsensible Mütter und Väter lernen, ihre Sensibilität als Stärke zu sehen und sich selbst mit all ihren Facetten zu akzeptieren. Das positive Selbstbild trägt maßgeblich zum Wohlbefinden bei. Es kann hilfreich sein, Tagebuch zu führen und regelmäßig positive Erlebnisse und Erfolge festzuhalten.
Langfristig zu planen und sich realistische Ziele zu setzen, ist ebenso wichtig. Hochsensible Eltern brauchen Zeit für ihre eigenen Bedürfnisse und Interessen. Hobbys und kreative Tätigkeiten können eine wertvolle Auszeit vom Alltag bieten und das innere Gleichgewicht fördern.
Langfristige Strategien können helfen, das Familienleben harmonisch zu gestalten und das Wohlbefinden aller zu fördern. Eine offene und wertschätzende Kommunikation innerhalb der Familie ist hierbei besonders wichtig. Es ist gut, wenn sich hochsensible Eltern regelmäßig mit ihrem Partner und den Kindern austauschen und gemeinsame Aktivitäten planen, die allen Freude bereiten.
Der bewusste Umgang mit den eigenen Grenzen und Ressourcen sollte langfristig ebenfalls im Fokus stehen. Hochsensible Mütter und Väter sollten lernen, ihre eigenen Belastungsgrenzen zu erkennen und rechtzeitig Pausen einzulegen. Prioritäten zu setzen und Aufgaben zu delegieren, sind wichtige Maßnahmen, um Überlastung zu vermeiden.
Fazit
Hochsensibilität bei Müttern und Vätern bringt einzigartige Herausforderungen, aber auch besondere Stärken mit sich. Durch Selbstfürsorge, eine gute Organisation und die Unterstützung der Familie lassen sich die täglichen Aufgaben bewältigen. Langfristige Strategien und ein unterstützendes Netzwerk helfen, den Alltag zu meistern und das Familienleben harmonisch zu gestalten. Hochsensible Eltern dürfen stolz auf ihren besonderen Wesenszug sein und die positiven Aspekte dieser Eigenschaft betonen. Gemeinsam mit ihren Familien können sie eine liebevolle und unterstützende Umgebung schaffen, in der sich alle wohlfühlen.
Hochsensible Mütter und Väter sollten die besondere Sensibilität als Stärke sehen, die ihnen ermöglicht, sehr empathisch und aufmerksam auf die Bedürfnisse ihrer Kinder einzugehen. Mit der richtigen Unterstützung und den passenden Strategien können sie ausgeglichene und erfüllende Eltern sein und gleichzeitig ihre eigene Gesundheit und ihr Wohlbefinden im Blick behalten.
Für alle, die mehr zum Thema Hochsensibilität bei Müttern und Vätern wissen wollen, empfehlen wir das Buch Hochsensibel Mama sein von Kathrin Borghoff. Weitere Informationen zu Hochsensibilität gibt es zum Beispiel auf den Seiten des Netzwerks für Hochsensibilität und von Zart besaitet.
Du bist Mama oder Papa eines hochsensiblen Kindes? Dann lies in unseren Artikel Wie ist es wirklich, ein hochsensibles Kind zu haben? rein.