Kinder brauchen Grenzen, um sich im Familienleben und in der Welt zurecht zu finden. Wir müssen als Eltern liebevoll Grenzen setzen, um unser Kind einerseits vor Gefahren zu schützen, aber auch um ein harmonisches Miteinander in der Familie und mit anderen Menschen zu gewährleisten. Wir zeigen dir, wie das gelingen kann und welche Tipps und Tricks es gibt, um unseren Kindern Grenzen zu setzen, die sie verstehen und bereit sind zu akzeptieren.
Warum sind Grenzen wichtig?
Grenzen helfen unseren Kindern beim Großwerden, beim Erkennen von Gefahren und im sozialen Miteinander. Dabei kann man zwischen generellen und individuellen Grenzen unterscheiden. Generelle Grenzen sind allgemeine Regeln wie Gesetze und Normen. Zum Beispiel ist es eine generelle Regel, nicht einfach auf die Straße zu laufen. Denn dort fahren Fahrzeuge und es besteht die Gefahr, dass es zu einem Unfall kommt.
Kleine Kinder sind sich Gefahren nicht bewusst – sie verstehen noch nicht, dass sie untergehen, wenn sie nicht schwimmen können oder sich verletzen, wenn sie aus dem Fenster springen würden. Daher müssen wir ihnen als Eltern allgemein gültige Regeln vermitteln, z. B., dass wir vor dem Überqueren einer Straße in Ruhe schauen, ob etwas kommt; dass sie nicht allein ins Wasser gehen; dass sie eben nicht aus großer Höhe in die Tiefe springen usw. Mit diesen Regeln schützen wir unsere Kinder. Auch das zählt dazu, wenn wir liebevoll Grenzen setzen wollen.
Grenzen helfen auch beim Orientieren im komplexen Leben und beim Verstehen, dass jeder Mensch Grenzen hat, die respektiert werden müssen. Andere Menschen ebenso wie unsere Kinder selbst natürlich. Wir müssen ihnen zeigen, dass es für uns als Mama oder Papa Grenzen gibt, die nicht überschritten werden sollen. So vermitteln wir unseren Kindern, dass sie selbst ebenfalls Grenzen für sich setzen und diese auch kommunizieren sollen.
Das bringt uns zu den individuellen Grenzen. Es gibt eigene Familien-Regeln, aber eben auch persönliche Grenzen eines jeden Familienmitglieds. So gibt es bei euch vielleicht die Regel, dass nicht geschrien wird oder keine Türen zugeknallt werden. Andererseits hat jeder von uns zusätzlich Grenzen, die respektiert werden müssen. So kann es z. B. sein, dass dir ein harmonisches Familienleben wichtig ist und du Wert darauf legst, dass man sich versöhnt, bevor man aus dem Haus geht.
Liebevoll Grenzen setzen – wie mache ich das?
Liebevoll Grenzen setzen ist gar nicht so schwer. Bei den individuellen Grenzen ist es wichtig, dass du klar formulierst, was DU möchtest. Um beim oberen Beispiel zu bleiben: Sage „Ich möchte, dass wir uns vertragen, weil ich nicht im Streit auseinander gehen möchte. Du gehst gleich in den Kindergarten und ich zur Arbeit und wir sind sonst vielleicht beide den ganzen Tag traurig, weil wir uns nicht versöhnt haben.“
Achte dabei aber auch auf die Bedürfnisse deines Kindes. Wenn du es vielleicht in den Arm nehmen möchtest, um dich zu vertragen, dein Kind aber gerade keine Umarmung will, respektiere das und sage z. B. „Es ist okay, dass du nicht umarmt werden möchtest. Wir können uns auch ohne Umarmung versöhnen. Und wenn du gerade noch wütend bist, ist das auch okay. Dann können wir auch heute Abend noch einmal über unseren Streit reden. Ich möchte, dass du weißt, dass ich dich lieb habe – auch, wenn wir uns streiten.“
Dein Kind lernt: Es ist richtig, zu sagen, was man empfindet und auch, was man nicht möchte. Du zeigst ihm, wie wichtig es ist, die eigenen Grenzen positiv und lösungsorientiert zu kommunizieren. Und es hört: Mama versteht, dass ich nicht in den Arm genommen werden will und es ist okay für sie. Vermutlich wird dein Kind dir spätestens an der Tür zum Kindergarten zeigen, dass es dich ebenso lieb hat und sich unbedingt mit dir vertragen möchte. Liebevoll Grenzen setzen heißt eben auch gegenseitig viel Verständnis und Entgegenkommen aufzubringen.
Manche Grenzen werden dennoch auf Widerwillen bei deinem Kind stoßen. Einige Regeln nerven einfach, aber Kinder lernen, dass Grenzen und Regeln dennoch helfen. Das Team von Starke Kids nutzt ein simples, aber einleuchtendes Beispiel: Uns alle – egal ob klein oder groß – nervt es, an einer geschlossenen Bahnschranke stehen bleiben zu müssen. Doch die Schranke gibt uns Sicherheit, sonst müssten wir jedes Mal beim Überqueren der Schienen Angst haben, dass uns ein Zug erfasst.
Wichtig ist, dass du nur Grenzen setzt, die auch wirklich wichtig und sinnvoll sind. Höre in dich hinein und frage dich: Ist diese Grenze wirklich notwendig oder setze ich sie womöglich nur, weil ich gerade gestresst oder genervt bin? Auch wichtig: Verbiete bloß nicht alles, weil du Angst vor Gefahren hast. Dein Kind muss Erfolge feiern und Fehler machen können, um selbstbewusst und selbstständig zu werden. Auch das gehört dazu, wenn du liebevoll Grenzen setzen willst.
5 Tipps, wie Eltern liebevoll Grenzen setzen
Liebevoll Grenzen setzen gelingt dir mit einigen hilfreichen Tipps. Sicher funktioniert das nicht sofort und auch nicht immer, aber mit der Zeit wird es immer besser klappen. Erwarte aber nicht, dass es nie zu Diskussionen oder Streit bezüglich der Grenzen kommt. Das ist nur menschlich und gehört dazu.
1. Setze nicht zu viele Grenzen
Je mehr Grenzen dein Kind respektieren muss, desto höher ist das Frustrationspotenzial. Überlege, welche Grenzen dir wirklich immer wichtig sind – für eure Familie und auch für dich selbst. Frage dich, ob du die Grenze setzen möchtest, weil du es selbst so gelernt hast oder der soziale Druck dich dazu verleitet. Die Grenze muss DIR wichtig sein, du musst dahinterstehen und sie wollen. Lass dich nicht dazu verleiten, die Grenze durchzusetzen, weil man das so macht. Auch die Situation ist wichtig: Versuch dich in stressigen Situationen zu fragen, ob du die Grenze setzen würdest, wenn gerade alles ruhig und entspannt wäre.
Überprüfe zusätzlich, ob es Grenzen gibt, denen du vielleicht vorbeugen könntest. Ich erinnere mich daran, dass unsere ältere Tochter mit anderthalb Jahren mit schöner Regelmäßigkeit die CDs aus dem Wohnzimmerregal gefischt hat. Dabei gingen nicht nur einige Hüllen zu Bruch, die ein oder andere CD zerkratzte dabei auch. Anstatt ihr klarzumachen, dass sie die CDs nicht aus dem Schrank holen darf, hätten wir sie vorher einfach in ein Regal räumen können, an das sie nicht herangekommen wäre. Problem gelöst – ganz ohne diese spezielle Grenze zu setzen.
2. Sei verständnisvoll
Auch, wenn es manchmal schwerfällt: Bleib in Situationen, in denen dein Kind sich den Grenzen widersetzen will, ruhig und zeige Verständnis. Versuch zu verstehen, was dein Kind in diesem Moment wütend oder traurig macht und sage ihm, dass du verstehst, weshalb es so reagiert. Vor allem, wenn dein Kind die Grenze zum wiederholten Mal nicht akzeptiert, ist es schwer Ruhe zu bewahren. Versuch es aber – selbst ruhig zu blieben entspannt die Situation schon einmal grundlegend.
3. Sei ein gutes Vorbild und geh auch mal Kompromisse ein
Lebe deinem Kind vor, wie Grenzen eingehalten werden. Das bedeutet auch, dass du die Grenzen respektierst, die dein Kind setzt. Natürlich heißt das nicht, dass es immer bekommen soll, was es will. Wenn du aber zeigst, dass du zuhörst und verstehst, wird auch ein Kompromiss für euch beide in Ordnung sein.
Ein Beispiel zu Kompromissen beim liebevoll Grenzen setzen hat Dr. Kathrin Mikan von Superheldenkids parat: Wenn sich dein Kind im Bus auf den Sitz stellt, erkläre, dass du verstehst, dass es gerne aus dem Fenster schauen mag. Du möchtest aber nicht, dass sich dein Kind auf den Sitz stellt, da das nicht sicher ist und du nicht möchtest, dass der Sitz von den Schühchen schmutzig wird. Schlag am Ende einen Kompromiss vor z. B. indem du deinem Kind anbietest, sich auf deinen Schoß zu setzen.
4. Kommuniziere Grenzen klar und verständlich
Wenn dir eine Grenze wichtig ist und du möchtest, dass sie eingehalten wird, sag das deinem Kind. Und zwar deutlich und klar, denn Kinder haben ein Gespür dafür, wenn etwas nur halbherzig dahergesagt wird. In diesem Fall wird dein Kind diese Grenze vielleicht nicht so ernst nehmen.
Damit dein Kind die Grenze akzeptieren kann, solltest du zudem auf lange Erklärungen verzichten. Versuch stattdessen kindgerecht zu erklären, wieso dir die Grenze wichtig ist.
Kommuniziere beim liebevoll Grenzen setzen positiv und vermeide Sätze, die „nicht“ enthalten. Anstatt „Stell dich nicht auf den Sitz!“ solltest du besser sagen „Setz dich bitte wieder hin!“
Wichtig ist auch, dass du deine Aufmerksamkeit ganz deinem Kind zuteil kommen lässt, wenn du ihm etwas erklärst. Schau deinem Kind in die Augen, hock dich ggf. hin und achte darauf, dass dein Kind dir uneingeschränkt zuhören kann, es also nicht abgelenkt ist.
Vermeide Fragen wie „Kannst du jetzt mal ordentlich essen?“ und gib stattdessen Anweisungen „Iss bitte ordentlich!“ Auch Warum-Fragen wie „Wieso kannst du nie ordentlich essen?“ sind tabu. Denn sie verwirren und provozieren dein Kind.
Achte darauf, dein Kind dabei zu unterstützen, Grenzen einzuhalten. Alles Erklären ist hinfällig, wenn du deine Aufmerksamkeit direkt danach anderen Dingen schenkst. Dein Kind wird sich dann nämlich denken, dass das Respektieren dieser Grenze womöglich doch nicht so wichtig ist.
Bedanke dich, wenn dein Kind deine Grenze eingehalten oder deine Regel befolgt hat. Aber belohne nicht, denn dann erwartet dein Kind jedes Mal eine Belohnung.
5. Gib Freiräume, aber bleib konsequent
Gib wenn möglich Freiräume innerhalb der Grenze. Wenn du möchtest, dass dein Kind einen Pullover anzieht, weil es kalt ist, dann lass dein Kind den Pullover aussuchen. Hast du eine Grenze festgelegt oder eine Regel aufgestellt, dann behalte sie konsequent bei. Ausnahmen sollte es nur in besonderen Situationen geben und das solltest du dann auch klar kommunizieren. Ansonsten verwirrst du dein Kind.
Wie wichtig es ist, dass wir Eltern unseren Kindern liebevoll Grenzen setzen, weiß auch Christina Hanf, Kinder-, Jugendlichen- und Familientherapeutin. Sie hat zum Ende noch ein paar zusätzliche Ratschläge für dich auf Lager: