Das Buch „Mein Körper gehört mir!“ ist ein Klassiker – erstmalig erschienen ist das Sachbuch bereits 1994. In Zusammenarbeit mit der Autorin und Illustratorin Dagmar Geisler hat pro familia das Aufklärungsbuch konzipiert, um Kindern zu vermitteln, dass sie allein über ihren Körper bestimmen, dass sie Rechte haben und nein sagen dürfen. Ziel ist es, Kinder vor Missbrauch zu schützen und ihnen die Sicherheit mitzugeben, dass es gut und richtig ist, sich Hilfe zu holen, wenn nötig. Für Eltern und Lehrkräfte ist „Mein Körper gehört mir!“ ein unverzichtbarer Begleiter, um Kinder für das Thema sexuelle Grenzüberschreitung und Missbrauch zu sensibilisieren.
Clara sagt nein
Im Buch „Mein Körper gehört mir!“ lernen Kinder und Erwachsene Clara kennen. Das Mädchen erzählt von sich, ihrem Körper und von gewollten, aber auch ungewollten Berührungen und ihre Reaktion darauf. So mag sie es mit Papa zu schmusen und mit Oma zu kuscheln, die Freundin zu umarmen und den Freund zu kitzeln. Zu doll gekitzelt werden will Clara dagegen nicht und Schlabberküsse findet sie eklig. Sie ist selbstbewusst und sagt klar und deutlich: „Das will ich nicht“, wenn jemand etwas macht, das ihr unangenehm ist oder sich falsch anfühlt.
Dieses Selbstbewusstsein möchte das Buch „Mein Körper gehört mir!“ allen Kindern vermitteln. Die ausdrucksstarken Bilder und leicht zu verstehenden Texte übermitteln eine klare Botschaft: Wenn du etwas nicht willst, es sich komisch anfühlt oder du etwas nicht verstehst, dann sag es – das gilt für Körper und Seele gleichermaßen. Hört man nicht auf dich, such dir Hilfe bei jemandem, dem du vertraust. „Gestärkte, selbstbewusste Kinder, die sagen können „Das will ich nicht“, die offen und frei über das sprechen können, was sie stört oder beschäftigt, machen es grenzverletzenden Menschen schwer“, schreibt pro familia im Vorwort des Buches.
Im Gespräch mit Autorin und Illustratorin Dagmar Geisler
Wir haben mit der Illustratorin Dagmar Geisler über die Wichtigkeit von Prävention gesprochen, ihre Arbeit an „Mein Körper gehört mir!“ und anderen Sachbüchern und die zunehmende Unsicherheit vieler Eltern.
Sie illustrieren und schreiben seit vielen Jahren Aufklärungsbücher. Wie sind Sie ursprünglich auf das Thema gekommen?
„Ich habe mich schon in meiner Jugend für Themen rund um Gefühle und Psychologie interessiert. Mit 14 Jahren habe ich nicht die ‚Bravo‘ gelesen, sondern Zeitschriften wie ‚Eltern‘. Schon immer habe ich viel mit Gefühlen in meinen Zeichnungen gearbeitet. Als pro familia mich gefragt hat, ob ich das Buch ‚Mein Körper gehört mir!‘ illustrieren möchte, habe ich sofort zugesagt. Das Thema des Buches ist so wichtig und ich finde, man kann es nicht oft genug ansprechen.“
Sie schreiben in Ihrem Buch, dass Sie in letzter Zeit eine größer werdende Unsicherheit im Umgang mit Aufklärung feststellen. Woran liegt das, denken Sie?
„In den Köpfen der Menschen ist in den letzten Jahren so viel Angst entstanden. In den 80er- und 90er-Jahren war der Umgang mit dem Thema Sexualität noch viel offener. Doch dann gab es einen Rückschritt, der bis heute anhält. Das ist in Ländern wie Großbritannien und den USA noch ausgeprägter als in Deutschland. Man denke nur an den aktuellen Fall einer Lehrerin in Florida, die entlassen wurde, weil sie den Schülerinnen und Schülern ein Bild der nackten David-Statue von Michelangelo gezeigt hat.
Eltern wollen ihre Kinder behüten, sie wollen eine Kindheitsidylle bauen und diese aufrechterhalten. Anders als heute spielte das Internet früher keine Rolle. Kinder kommen heutzutage durch Videos und Bilder im Internet schon sehr früh in Kontakt mit sexuellen Inhalten – oftmals sehen sie dort negative Darstellungen. Der Reflex vieler Eltern ist dann, den Kindern das Smartphone oder Tablet zu verbieten, um zu vermeiden, dass sie mit den Inhalten in Berührung kommen. Doch das lässt sich natürlich nicht vollkommen verhindern.
Der Gedanke oder Ansatz, die Kinder verschonen zu wollen, indem man das Thema Sexualität ganz ausblendet, ist in meinen Augen nicht richtig. Wichtiger und besser wäre es, ihnen zu erklären, dass diese zum Leben dazugehört und etwas sehr Schönes, Liebevolles sein kann. Über das Thema zu sprechen, den Kindern Dinge zu erklären und ihnen so auch ein Selbstbewusstsein zu vermitteln, ist enorm wichtig.“
Wie können Eltern diese Unsicherheit Ihrer Meinung nach überwinden?
So drastisch das klingen mag, aber eigentlich müsste man erst einmal die Eltern aufklären. Man müsste bei ihnen das Bewusstsein schaffen, dass das Thema Sexualität wichtig ist und sie ihnen und ihren Kindern den Raum geben müssen, darüber zu sprechen. Kinder nehmen das Nichtgesagte viel schneller und stärker wahr als Erwachsene. Merken sie also, dass sich Eltern oder Lehrkräfte mit dem Thema Sexualität unwohl fühlen, verbinden sie damit automatisch, dass es etwas Schlechtes oder Schlimmes sein muss. Sonst hätten die Erwachsenen ja keine Angst, darüber zu sprechen. Anstatt das Thema totzuschweigen, muss man Offenheit erzeugen. Dazu braucht es Informationen und Material wie das Buch, damit Eltern ein Zugang zu dem Thema finden.“
Sollten die Themen Sexualität und auch sexuelle Gewalt ebenfalls an Kindergärten und Schulen besprochen werden?
„Unbedingt. Früher hatten die Einrichtungen noch die Mittel, Expertinnen und Experten z. B. von pro familia einzuladen, um die Themen kindgerecht vorzustellen. Heute übernehmen die Lehrkräfte das selbst. Aber wir alle sind unterschiedlich und natürlich gibt es diejenigen, die sich schwertun, die Themen zu vermitteln. Es bräuchte unbedingt eine Vorbereitung für Erzieherinnen, Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer, in der sie sozusagen üben könnten, wie sie den Kindern die Themen erklären.“
Kinder vertrauen sich bei Missbrauch häufig niemandem an. Aus Scham oder aus Angst, etwas falsch gemacht zu haben oder dass man sie nicht mehr liebhat. Wie bestärkt man die Kinder am besten?
„Man muss ein Gefühl für Grenzen schaffen, ohne dabei Angst zu machen. Die Kinder sollen ja nicht per se Angst vor Menschen bekommen. Aber es ist gut, ihnen zu erklären, dass es Übergriffe gibt. Die Kinder müssen verstehen, wo die Grenzen sind, und sie müssen wissen, dass es vollkommen richtig und wichtig ist, sich jemandem anzuvertrauen. Wenn ein Übergriff passiert, muss ein Kind die Sicherheit haben, dass es richtig ist, nein zu sagen und es muss ihm bewusst sein, dass es jederzeit das Recht hat, mit jemandem darüber zu sprechen. Es soll sich nicht einreden lassen, dass das ein Petzen ist. Das ist ganz wichtig.“
Infos zum Buch
Das Buch „Mein Körper gehört mir!“ wurde 1996 mit dem Kinder- und Jugendbuchpreis des Deutschen Ärztinnenbundes e.V. Die Silberne Feder ausgezeichnet. Das Sachbuch für Kinder ab 5 Jahren ist im Loewe Verlag erschienen. Es enthält auch eine Körperkarte, die Kinder nutzen können, um sie nach ihren Wünschen zu gestalten. Das Buch kostet 12,95 Euro, die ISBN lautet: 978-3-7855-7230-6
Mehr Infos zu Dagmar Geisler und ihrer Arbeit findest du auf ihrer Website.
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