Advent, Advent, die Hütte brennt – davon können viele Mütter ein Lied singen. Für Besinnlichkeit, Kerzenschein und Kekse knuspern bleibt den meisten Müttern vor lauter Stress keine Zeit. Oftmals lastet die gesamte Weihnachts-Organisationsarbeit auf ihren Schultern, vom Adventskalender basteln bis zum Geschenke besorgen – für die Kinder, die Schwiegermutter, die Nachbarin und den Hund. Wieso rutschen wir in der Weihnachtszeit so schnell in traditionelle Rollenbilder zurück? Wie kann man die vielen Aufgaben samt Planen und dran Denken in der Familie verteilen? Und was kann man getrost weglassen? Das haben wir eine Mental-Load-Expertin gefragt.
Mental Load – was ist das?
Mental Load – englisch: die mentale Belastung – ist das Denken, Planen, Terminieren und Organisieren von notwendigen Alltagsaufgaben. Und das Gefühl, die Verantwortung für alle Aufgaben allein übernehmen zu müssen, sagt Stefanie Mädel. Die Psychologin hat das Institut TRAENT gegründet, in dem sie Vorträge und Workshops zum Thema Mental Load anbietet.
Im Advent liegen besonders viele Organisationsaufgaben an. Wer bastelt das Fotobuch für die Oma? Wer besorgt den Tannenbaum? Was können die Großeltern den Kindern schenken und wann gehen wir auf den Weihnachtsmarkt? All diese unsichtbaren Planungs-Aufgaben bleiben auch heute noch größtenteils an den Müttern hängen, sagt Mädel. Und führen in der Summe dazu, dass wir manchmal überlastet sind.
Warum leiden vor allem Mütter an Mental Load?
Noch immer übernehmen Mütter den größten Teil der Familienorganisation, auch in der Vorweihnachtszeit. Weil es sonst keiner macht. Weil andere es von uns erwarten. Und weil wir anderen eine Freude machen wollen. „Besonders Frauen haben den starken Glaubenssatz, es allen recht machen zu wollen“, sagt Stefanie Mädel. Wir möchten unseren Kindern eine schöne Vorweihnachtszeit gestalten, samt Weihnachtsbäckerei und Wichtelzauber und geraten dann bei all den vielen Aufgaben unter Stress.
Der Druck kommt auch aus den Medien. In der Werbung, in Weihnachtsfilmen und auf Instagram sehen wir Mütter, die Kakao kochen, Adventskalender befüllen, mit den Kindern Schlittschuhlaufen gehen und den Weihnachtsbraten zubereiten. Wir bekommen den Eindruck, für all diese Aufgaben allein zuständig sein zu müssen. Am besten noch fröhlich und entspannt.
Doch die Realität in Familien sieht meist anders aus. Die meisten Mütter sind heute erwerbstätig. Auch in vielen Jobs ist die Vorweihnachtszeit besonders stressig, wenn kurz vor den Feiertagen noch wichtige Deadlines winken. Die Weihnachtsfeier mit den Kolleg*innen steht an, das gemeinsame Glühweintrinken auf dem Markt. Das Schulkind führt mit seiner Klasse ein Krippenspiel auf und für das Wichteln im Kindergarten besorgen wir noch schnell ein Geschenk. „Eigentlich schöne Dinge“, sagt Stefanie Mädel. Doch in der Summe führten sie zu Termindruck und Stress: „Wenn man dann noch krank wird oder zusätzlich Geburtstage oder Sportwettkämpfe stattfinden, haben besonders Mütter so viel zu tun, dass kein Moment zur Erholung bleibt.“
Männer fühlen sich weniger verantwortlich
„Männer fühlen sich oftmals nicht in gleichem Maße (für die Mental Load, Anm. der Redaktion) verantwortlich“, sagt Stefanie Mädel. „Sie kennen häufig nicht einmal den Grund für die Erschöpfung der Frauen.“ Die meisten Männer würden zwar wahrnehmen, dass ihre Partnerin gestresst ist. Die schlechte Stimmung führe bei Paaren dann zu Streit. Den Grund für die Gereiztheit der Frauen – die Überlastung, die Mental Load – würden viele Männer jedoch nicht erkennen.
Dabei wäre genau das der Schlüssel für eine faire Aufgabenteilung. Auch wenn Väter sich heute stärker in der Familie einbringen als frühere Generationen: Viele Väter arbeiten ihrer Frau zuhause nur zu und warten darauf, dass sie ihnen Aufgaben erteilt. Frauen sind die Familienmanagerin. Nur sie wissen, wo der Weihnachtsbaumschmuck liegt und ob das Geschenkpapier aufgebraucht ist – und besorgen dann gleich neues.
Auch die Sozialisation ist schuld
Dass Frauen den Großteil der Mental Load übernehmen, liege auch daran, dass sie durch die längere Elternzeit mehr Expertise mit dem Haushalt und den Kinder gewonnen haben, schreibt die Journalistin Alexandra Zykunov in ihrem Buch „Was wollt ihr denn noch alles?“. Wer mehr über eine Aufgabe wisse, dem falle es schwerer, Verantwortung abzugeben. Besonders, wenn der Partner sie nur halbherzig erledigt.
Nach dem Motto „Wenn ich es selbst mache, geht es schneller“, übernehmen viele Mütter die Planung, Organisation und Durchführung der Alltagsaufgaben – auch in den terminreichen Adventswochen. Schuld daran sei auch unsere Sozialisation, sagt die Psychologin Stefanie Mädel: „Das Mutterbild in Deutschland impliziert immer noch: eine gute Mutter kümmert sich, backt, kocht und bastelt selbst, am besten noch mit den Kindern zusammen.“ Die veralteten Rollenbilder zu überwinden, sei trotz aller Emanzipation nicht so einfach, für Männer wie für Frauen.
Wie kann man die Mental Load im Advent reduzieren?
Was kann man also tun, damit die Mental Load im Advent für Mütter nicht zur Overload wird? Wie kann man die vielen Aufgaben in der Vorweihnachtszeit in der Familie besser verteilen?
Die Belastung ansprechen
Man kann zunächst mit dem Partner darüber sprechen, dass man sich überlastet fühlt. Anschließend kann man gemeinsam überlegen, wie man die vielen Aufgaben besser verteilen kann – samt der Organisation drumherum. Die Mental-Load-Expertin Laura Fröhlich schlägt auf ihrem Blog regelmäßige Küchenmeetings vor, in denen man als Elternpaar bespricht, was in der Woche alles erledigt werden muss. Anschließend teilt man die Aufgaben auf. Samt der Organisation drumherum.
Aufgabenpakete verteilen
Wichtig ist es, dass Aufgaben nicht nur ausgeführt werden, sondern dass sich derjenige, der sie übernimmt, auch für das Drumherum verantwortlich fühlt. Es bringe nichts, wenn der Papa nur das Plätzchen backen mit den Kindern übernehme, sagt Stefanie Mädel. Zu der Aufgabe gehöre auch, einen freien Nachmittag zu organisieren, die Zutaten einzukaufen und nach dem Backen die Küche zu putzen. „Am besten geben Mütter ganze Aufgabenpakete samt der Verantwortung dafür ab“, sagt Mädel. „Nur so verringert sich die Mental Load.“
Es gehört auch dazu, den Partner seine eigenen Erfahrungen machen zu lassen. Vielleicht brennen beim ersten Mal die Kekse an. Dafür haben wir etwas freie Zeit gewonnen und beim nächsten Mal klappt es schon viel besser.
Alleinerziehende können die Oma, die Nachbarin, Geschwister oder Freunde in der Vorweihnachtszeit um Hilfe bitten. Vielleicht nehmen die Eltern eines Kindergartenfreundes das Kind mit auf den Weihnachtsmarkt? Auch eine Leihoma, die mit den Kindern einen Nachmittag lang bastelt, kann kurzfristig Entlastung bieten.
Die eigenen Ansprüche herunterschrauben
Muss der Adventskalender selbstgebastelt sein oder reicht auch ein gekaufter? Ist es meinen Kindern wichtig, dass ein Wichtel jeden Tag kleine Briefe schreibt, oder denken wir nur, dass wir einen Wichtel brauchen, weil wir das auf Instagram gesehen haben? Was mach ich wirklich gerne und was bereitet mir unnötig Stress? Es kann helfen, sich Fragen wie diese zu stellen. Und dann Prioritäten zu setzen.
Wir müssen nicht auf jedem Gebiet gleich gut „performen“. Wir können die Mutter sein, die mit ihren Kindern Weihnachtslieder singt, aber die Kekse im Supermarkt kauft. Vielleicht befüllen wir den Adventskalender selbst, aber bringen zur Kita-Weihnachtsfeier „nur“ einen gekauften Stollen mit. Auch den Adventskranz können wir fertig kaufen. Oder einfach vier Kerzen auf einen schönen Teller stellen und ihn mit Walnüssen und roten Äpfeln verzieren.
Pausen einplanen
So voll der Terminkalender auch ist: Wir sollten regelmäßig Pausen für uns einplanen, sagt Stefanie Mädel. Eine Mittagspause, in der wir in Ruhe einen Spaziergang machen. Ein Stündchen am Nachmittag, in der die Kinder einen Weihnachtsfilm gucken und wir gemütlich einen Kaffee trinken. Wenn wir uns Zeit für uns nehmen, signalisieren wir nebenbei unseren Kindern: Auch als Mutter darf man sich Pausen gönnen. Damit sind wir sogar ein gutes Vorbild. Schließlich sollen sich auch unsere Töchter und Söhne später nicht bis zur Erschöpfung für ihre Familien überlasten.
Auch mal Nein sagen
Auch bei den Terminen hilft es, sich kritisch zu fragen: Wollen wir zur Weihnachtsfeier der Nachbarn gehen oder machen wir das bloß, damit wir nicht anecken? Müssen alle Feiertage mit Verwandtschaftsbesuch verplant sein? Oder nehmen wir uns einen Tag zuhause, um als kleine Familie zur Ruhe zu kommen? „Besonders Frauen möchten am liebsten bei allen beliebt sein“, sagt Stefanie Mädel. Vielen Müttern falle es schwer, eine Einladung abzulehnen oder zu Aufgaben auch mal Nein zu sagen.
Je öfter man das übt, desto leichter wird es jedoch. Und kann befreiend sein. Schließlich haben auch wir ein Recht auf Erholung. Insbesondere nach der ganzen Mental Load im Advent.