Wenn Frauen im Wochenbett liegen, können Mütterpflegerinnen im Haushalt helfen und sich um Geschwisterkinder kümmern. Doch kaum jemand weiß, dass es sie gibt.
Wir haben mit zwei Mütterpflegerinnen über ihren Beruf gesprochen.
Vroni Hilger ist ausgebildete Kinderpflegerin und Mütterpflegerin im bayerischen Ort Höslwang, in der Nähe von München. Foto: Fablie
Adele Ahrens hat ursprünglich Modedesign studiert. Sie arbeitet als Mütterpflegerin und „Alster-Doula“ in Hamburg. Foto: Marie Anna Frieda
- Was ist der Unterschied zwischen Mutterpflegerin und Hebamme?
- Wie helft ihr als Mütterpflegerinnen den Frauen?
- Warum ist euer Beruf noch so unbekannt?
- Wer hat Anspruch auf Mütterpflege?
- Für wie lange kommt die Mütterpflegerin nach Hause?
- Ab wann sollte ich eine Mütterpflegerin suchen?
- Wie finde ich eine Mütterpflegerin?
- Übernimmt die Krankenkasse die Kosten?
- Wie reagieren die Frauen auf eure Hilfe?
- Was möchtet ihr mit eurem Beruf bewirken?
Was ist der Unterschied zwischen Mutterpflegerin und Hebamme?
Hilger: Als Mütterpflegerinnen entlasten und unterstützen wir Frauen während der Schwangerschaft und im Wochenbett, wenn die Geburt zu seelischer Belastung und körperlichen Einschränkungen geführt hat, zum Beispiel nach einem Kaiserschnitt. Wir ersetzen aber auf keinen Fall die Hebamme.
Ahrens: Die Hebamme hat ja eine medizinische Verantwortung für Mutter und Kind, das haben wir nicht. Wir dürfen zum Beispiel nicht das Baby untersuchen oder Stillberatung anbieten. Wir sind sowas wie die beste Freundin der Mutter, die ihr zuhört und ihr im Alltag unter die Arme greift.
Wie helft ihr als Mütterpflegerinnen den Frauen?
Ahrens: Mit Wäsche waschen, Einkaufen, manchmal auch Kochen. Das ist abhängig von der Mütterpflegerin und natürlich von den Wünschen der Familie. Manche räumen den Geschirrspüler aus, andere putzen auch oder spielen mit den Geschwisterkindern. Oder wir kümmern uns um das Baby, damit die Mutter einmal in Ruhe duschen gehen kann.
Warum ist euer Beruf noch so unbekannt?
Ahrens: In den Niederlanden ist es schon länger üblich, dass eine „Kraamsversorgerin“ in den ersten zehn Tagen zu der Wöchnerin nachhause kommt und sie im Haushalt unterstützt. In Deutschland ist Mütterpflege ein recht neuer Beruf. Auch viele Gynäkologen wissen noch nicht, dass es uns gibt.
Wer hat Anspruch auf Mütterpflege?
Hilger: Ein Anspruch auf Haushaltshilfe liegt vor, wenn man gesetzlich krankenversichert ist und keine andere, im Haushalt lebende Person den Haushalt weiterführen kann. Zum Beispiel, wenn der Vater den ganzen Tag arbeitet oder wenn man alleinerziehend ist. Außerdem braucht man eine medizinische Indikation. Die kann jeder Arzt, auch der Hausarzt, ausstellen.
Ahrens: Es gibt total viele Indikationen, die einen Anspruch auf Mütterpflege begründen. Zum Beispiel ein Kaiserschnitt oder eine Brustentzündung. Man kann das Attest auch schon in der Schwangerschaft bekommen, bei Risiko für Frühgeburt, vorzeitige Wehen oder Bettruhe. Auch nach dem Wochenbett können Eltern unsere Hilfe noch in Anspruch nehmen, zum Beispiel, wenn der Partner sich ein Bein bricht. Der Anspruch auf Mütterpflege besteht, bis das jüngste Kind 12 Jahre alt ist.
Für wie lange kommt die Mütterpflegerin nach Hause?
Hilger: Das ist abhängig von der Indikation und Empfehlung des Arztes.
Ahrens: Der Arzt schreibt in der Regel ein Attest für vier bis sechs Wochen am Stück. Folgeanträge sind möglich, bis zu 26 Wochen am Stück. In Ausnahmefällen auch noch länger.
Ab wann sollte ich eine Mütterpflegerin suchen?
Hilger: Sobald die medizinische Indikation vorliegt, sollte man sich auf die Suche nach einer Mütterpflegerin in seiner Umgebung machen. Am besten noch während der Schwangerschaft.
Ahrens: Generell gilt natürlich: Je früher, desto besser. Wenn man schon weiß, dass es ein Kaiserschnitt wird oder dass man Zwillinge bekommt, kann man das ja einplanen. Aber es soll ja eine Hilfe für eine akute Krise sein, deshalb kann man es auch später noch versuchen.
Wie finde ich eine Mütterpflegerin?
Hilger: Auf der Internetseite des MDEV – dem Berufsverband für Mütterpflegerinnen in Deutschland – kann man nach Mütterpflegerinnen in seiner Nähe suchen. Sollte man dort nicht fündig werden, kann man auch eine Mütterpflegerin in einer anderen Stadt anschreiben. Wir sind deutschlandweit untereinander vernetzt und helfen bei Fragen gerne weiter.
Ahrens: Wenn man eine Mütterpflegerin gefunden hat, stellt man den Antrag auf Haushaltshilfe bei der Krankenkasse. Bei den meisten Krankenkassen muss man dafür anrufen. Das Attest reicht man selber mit dem Antrag bei der Krankenkasse ein. Es ist von Kasse zu Kasse verschieden, wie lange die Bewilligung dauert. Bei manchen Kassen ist sie schon nach drei Tagen da. Man kann auch erst den Antrag stellen und sich danach erst eine Mütterpflegerin suchen.
Übernimmt die Krankenkasse die Kosten?
Hilger: Die Leistung ist zuzahlungsbefreit, wenn § 24h SGB V greift. Nach § 38 SGB V ist eine Mütterpflegerin zuzahlungspflichtig. Privat versicherte Frauen müssen die Kosten selbst tragen.
Ahrens: Welchen Anteil der Kosten die Krankenkasse übernimmt, steht auch schon im Bewilligungsschreiben. Daher weiß die Familie von Anfang an, was auf sie zukommt. Wenn die Krankenkasse nicht die gesamten Kosten der Mütterpflege übernimmt, zahlt die Familie einen Eigenanteil. In der Regel sind das aber nicht mehr als zehn Euro pro Tag.
Wie reagieren die Frauen auf eure Hilfe?
Ahrens: Die Frauen freuen sich mega doll. Einfach, dass jemand zu den Müttern kommt, ihnen zuhört und fragt: „Hast du schon etwas getrunken?“, „Wie sieht es denn heute mit Mittagessen aus? Komm, ich mach dir mal was.“ Oder: „Soll ich mal das Altpapier runterbringen?“ – Solche Sachen sind wahnsinnig hilfreich.
Was möchtet ihr mit eurem Beruf bewirken?
Hilger: Als ausgebildete Kinderpflegerin helfe ich gerne anderen. Im Kontakt mit den Müttern kamen immer wieder auch die Belastungen nach der Geburt zur Sprache. Viele Frauen fühlten sich mit dieser Situation alleingelassen. So entstand der Wunsch bei mir, genau da zu helfen. Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass mehr Schwangere von Mütterpflegerinnen erfahren und auf unsere Hilfe zurückgreifen können. Besonders in Süddeutschland ist unser Beruf noch ziemlich unbekannt.
Ahrens: Ich glaube, es wird total unterschätzt, wie viel Aufwand und Arbeit das Wochenbett ist. Ich hab das damals selbst unterschätzt, auch beim zweiten Kind wieder. Wieviel Hilfe man braucht, wieviel Wäsche man wäscht und wie anstrengend das erste Mal Duschen ist. Dabei hatte ich total viel Unterstützung von meinem Partner und meiner Mutter.
Eine Mutter, die ich betreue, hat stolz im Kindergarten erzählt, dass sie eine Mütterpflegerin hat. Daraufhin haben andere Mütter ihr vermittelt: Warum kriegst du das nicht alleine hin? Sich als Mutter Hilfe zu suchen, hat leider immer noch ein Stigma. Das finde ich total schade und ich wünsche mir, dass sich das ändert.
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