Ein Interview mit Buchautorin Susanne Wawer
Paar bleiben trotz Kinder – wie schwierig das sein kann, weiß Buchautorin Susanne Wawer aus eigener Erfahrung. Im Interview verrät Sie uns, wie sie es geschafft hat, ihre Beziehung zu retten und was traditionelle Rollenmuster damit zu tun haben.
BoB: Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass Kinder Schuld an den Problemen der Eltern haben. Doch hinter ihrem Buchtitel „Beziehungskiller Kind?“ steht ein Fragezeichen.
Wawer: Genau. Die Aussage ist als Frage formuliert und die Antwort darauf lautet: Nein. Es sind nicht die Kinder, die eine Partnerschaft kaputtmachen. Es ist viel mehr die Dynamik, die Kinder mit sich bringen.
BoB: Was genau meinen Sie mit dieser Dynamik?
Wawer: Kinder sind unglaublich bereichernd und man erlebt als Eltern unvergessliche Momente, die nicht in Worte zu fassen oder mit irgendetwas anderem zu vergleichen sind. Doch Kinder fordern Eltern viel ab. Gerade in den Anfangsjahren beanspruchen Kinder enorm viel Aufmerksamkeit und rauben beiden Elternteilen Kraft und Energie.
Zeit als Paar findet man nur selten, genauso wenig Zeit für sich selbst. Oft sind es die Mütter, die sich in dieser Situation überfordert fühlen. Aus dieser Überforderung resultiert, dass sie dem Partner weniger Aufmerksamkeit entgegenbringen. Und über diese geringere Aufmerksamkeit ist wiederum der Partner frustriert.
BoB: Was genau wird also zur Belastungsprobe in der Partnerschaft?
Wawer: Eltern unterschätzen genau diese Dynamik. Bevor man Kinder hat, kann man sich nicht vorstellen, wie anstrengend es ist, über eine lange Zeit hinweg jede Nacht aufzustehen und nicht durchzuschlafen. Das zehrt an den Nerven. Auch hat man als Eltern keine Vorstellung davon, wie anstrengend es ist, den Haushalt zu erledigen, wenn man Kinder hat.
Mein Mann und ich waren uns sicher, dass Kinder unser Leben nicht verändern, allenfalls bereichern würden. Wir dachten immer, wir sind anders als all die anderen Paare. Mittlerweile habe ich erkannt, dass fast alle Paare genauso über sich denken.
Bevor wir Kinder hatten, agierten mein Mann und ich auf Augenhöhe, wir waren gleichberechtigt. Sobald unser erstes Kind da war, rutschte ich in die Rolle der Hausfrau und Mutter. Ich kümmerte mich um Kind und Haushalt. Und auf einmal lebten wir das ganz traditionelle Rollenbild. So ergeht es vielen Familien.
BoB: Wieso?
Wawer: Es hat mehrere Gründe, warum Paare in traditionelle Rollenmuster rutschen. Die Vorstellung von Mutterschaft ist stark von unserer Erziehung und Gesellschaft geprägt. Sie ist bei Weitem nicht so emanzipiert, wie wir denken. In unseren Köpfen ist es die Mutter, die sich um das kranke Kind kümmert, es tröstet und versorgt. So haben wir es selbst in unserer Kindheit mit unseren Müttern erlebt. Diese Erfahrungen prägen uns. Die moderne Frau will diesem Mutter-Ideal entsprechen. Doch das steht im Kontrast zur emanzipierten Frau.
Auf der anderen Seite spielt sicherlich auch die deutsche Familienpolitik eine entscheidende Rolle. Im Vergleich zu skandinavischen Ländern beispielsweise, hat Deutschland noch viel Aufholarbeit zu leisten. Nach wie vor wird in Deutschland das Alleinverdienermodell steuerlich begünstigt und Eltern werden nur im ersten beziehungsweise in den ersten beiden Lebensjahren vom Staat finanziell unterstützt.
BoB: Fühlen sich Frauen also zerrissen zwischen der Rolle als Mutter, emanzipierte Frau und Partnerin?
Wawer: Ja, das ist häufig der Fall. Ich kenne viele Mütter, die ein schlechtes Gewissen haben, ihre Kinder in die Kita zu geben, um zu arbeiten. Bleiben sie allerdings zu Hause, fehlt ihnen der Ausgleich zu der Kinder- und der Hausarbeit. Sie können sich beruflich nicht verwirklichen und das frustriert.
BoB: Woran haben Sie gemerkt, dass es bei Ihnen in der Beziehung nicht mehr läuft?
Wawer: Mein Mann kam irgendwann zu mir und sagte, dass er nicht mehr glücklich sei. Das war ein Schock für mich. Ich hatte mich für die Familie aufgeopfert und dachte, mein Mann wäre mit der Fürsorge, die ich allen entgegenbrachte, zufrieden. Doch wir hatten uns als Paar verloren. Wir hatten uns zu wenig um uns und unsere Bedürfnisse gekümmert. Ich musste lernen, dass Fürsorge allein die Familie nicht glücklich macht, sondern dass auch die Eltern ihre Interessen befriedigen müssen.
BoB: Wie haben Sie als Paar die Krise gemeistert?
Wawer: Reden. Kommunikation ist alles. Vor allem Frauen müssen lernen ihre Wünsche und Bedürfnisse klar zu formulieren und sie einzufordern. Wenn sich Frauen über etwas ärgern, sagen sie das selten direkt. Missfällt es ihnen, dass der Mann die Spülmaschine nicht ausgeräumt hat, sagen sie ihm das nicht einfach so. Stattdessen stampfen sie schlecht gelaunt durch die Wohnung und räumen die Spülmaschine extra laut aus. Sie sind motzig und nörgelig. Das hilft aber nicht weiter.
BoB: Ist also eine offene Kommunikation der Schlüssel für eine glückliche Beziehung?
Wawer: Ja, wenn man in einer Partnerschaft nicht konstruktiv streitet oder für seine Bedürfnisse einsteht, wird es auf Dauer schwierig. Paare sollten versuchen, ganz klar über Aufgabenverteilung zu sprechen. Wer ist für den Einkauf zuständig? Wer fürs Wäschewaschen? Es kann helfen, eine Liste mit all den Dingen aufzuschreiben, die im Familienalltag anfallen. Vom Geschenkekaufen für den nächsten Kindergeburtstag, über das Ausmachen von Arztterminen bis hin zum Einkauf neuer Kleider. Wenn man sich den Mental Load als Eltern klar teilt, ist das ein Riesenschritt in eine glückliche und vor allem gleichberechtigte Beziehung.
Mein zweiter Tipp an Paare lautet: Bleibt realistisch. Es ist nicht immer alles rosarot und im Leben läuft nicht immer alles nach Plan. Wer das akzeptiert, wird weniger Gründe zum Streiten haben.
BoB: Was wollen Sie Paaren mit auf den Weg geben?
Wawer: Dass sie nicht allein sind mit ihren Problemen. Im Laufe der Zeit habe ich gemerkt, dass es fast allen Paaren so ergeht. Sobald ich offen über unsere Beziehungsprobleme gesprochen habe, sprudelte es bei meinen Freundinnen gerade so heraus. Rückt das Thema stärker in die Öffentlichkeit, nimmt es den Druck raus. Die Erkenntnis, dass es anderen Paaren ähnlich geht und es kein individuelles Problem ist, erleichtert ungemein.
Über die Autorin
Susanne Wawer wuchs in einem Dorf in Norddeutschland auf und liebte schon immer das Lesen. In Leipzig studierte sie Philosophie, Literatur und Kunstgeschichte und verdiente lange Zeit ihren Lebensunterhalt als freie Autorin und Redakteurin. Ihre beiden Kinder weckten ihre Begeisterung für Pädagogik und sie schulte auf Lehramt um. Sie lebt mit Mann und Kindern in Berlin. Nachdem sie selbst erlebte, wie schwierig es ist, trotz Kinder ein glückliches Paar zu sein, begann sie sich mehr und mehr für die Rolle der Mutter und Fragen der Gleichberechtigung zu interessieren.
Schlussendlich ist daraus ihr Buch „Beziehungskiller Kind? – Wie Eltern den Familien-Alltag harmonisch und gleichberechtigt leben“ entstanden. Es handelt von traditionellen Rollenbildern und wie diese Partnerschaften gefährden können. Mit vielen Tipps und Anregungen zeigt sie, wie Paare die Belastungsprobe meistern und trotz Stress und Schlafmangel einen liebevollen und wertschätzenden Umgang hinbekommen.
Das Buch erscheint im Trias Verlag und kostet 16,99 Euro.
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