Ab einem Alter von drei bis vier Jahren fangen Kinder an sich mit den Themen Sterben und Tod zu befassen. Manchmal gibt es einen konkreten Anlass wie den Tod von Oma oder Opa oder eines Haustiers. Manchmal fragen Kinder aber auch ohne Anlass. Für Eltern ist das Thema oft schwierig und sie wissen nicht, wie sie ihrem Kleinkind die Themen schonend erklären und nahebringen. Deshalb haben wir mit Vera Erb gesprochen, die schon seit vielen Jahren Kinder und Eltern in ihrer Trauer begleitet, Fragen ehrlich beantwortet und einfühlsam erklärt.
Mein dreijähriger Sohn sagte neulich aus dem Blauen heraus „Wenn ich tot bin, dann kann ich fliegen. Aber ich möchte nicht, dass mein Bauch vergraben wird.“. Mein Mann und ich wussten im ersten Moment gar nicht wie wir reagieren sollten. Die nächsten Tage fragte er noch öfter „Wann sterben alle Menschen?“ oder „Sterbe ich auch?“. In unserem Umfeld gab es keinen Todesfall oder Anlass für diese Fragen.
In einer kurzen Online-Recherche fand ich überwiegend das Thema Kinder im Trauerfall begleiten. Auf unseren Sohn trifft das allerdings nicht zu. Er möchte lediglich das Leben oder eben den Tod erforschen. Deshalb bat ich die Expertin Verena Erb um ein Interview und Tipps, wie man Kindern die Themen „Sterben“ und „Tod“ ohne konkreten Anlass erklären kann.
Vera Erb ist unter anderem phsychologische Beraterin, Sterbe- und Familienbegleiterin, Traumapädagogin und Systemische Kinder-, Jugend- und Familientrauerbegleiterin. Sie unterstützt als Wegbegleiterin mit Herz Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Familien schwierige Lebensphasen zu überwinden und an ihnen zu wachsen. Sie ermöglicht ihnen einen geschützten Raum, in dem sich jeder so zeigen darf wie er ist und mit allem was gerade für ihn wichtig erscheint.
Um sich verstanden, gesehen, akzeptiert zu fühlen, Begegnungen auf Augenhöhe zu erfahren, Fragen ehrlich beantwortet bekommt, aber auch lernt mit Gefühlen umzugehen, lernt Grenzen einzuhalten und zu setzen. Die Familien findet einen Weg, dass die Leichtigkeit und Freude zurück kommen kann. Jeder einzelne aus der Familie fühlt sich dadurch wertgeschätzt mit seiner Individualität.
Sie entwickelte bei „Wegbegleitung mit Herz“ Geschichten, die auf das Thema Sterben, Tod und Trauer in Familien aufmerksam machen. Mit ihnen will sie erreichen, dass sich die Familie gesehen und verstanden fühlen. Außerdem möchte sie so viele Menschen wie möglich für das Thema sensibilisieren, damit deren Ängste abgebaut werden, um auf betroffene Familien zu gehen zu können.
Aufgrund ihrer eigenen Geschichte und ihrer Erfahrungen ist sie Expertin für Kinder, Jugendliche, Eltern und Menschen, die sich mit dem Thema Sterben, Tod und Trauer auseinander setzen wollen oder müssen. Außerdem engagiert sie sich als Coach bei REDEZEIT FÜR FAMILIE. Falls ihr Fragen habt oder selbst Beratung sucht – kontaktiert sie gerne!
Wenn Kinder nach dem Sterben fragen
Frau Erb, wie erkläre ich einem Kleinkind das Konzept des Sterbens und Tod?
Kinder in diesem Alter fangen an die Welt zu erforschen sie stellen viele Fragen und erforschen viele Dinge. Auch Themen wie Sterben, Tod und Trauer stehen sie offen und neugierig gegenüber. Die meisten Kleinkinder wissen vom Tod und begegnen ihm oft in Büchern, Filmen, Gesprächen von Erwachsenen, Tod eines Familienmitgliedes, dem Insekt oder dem Vogel der tot auf dem Boden liegt. Doch den Tod können sie als endgültigen Verlust in der Regel nicht erfassen.
Wir Erwachsene sind erschrocken, wenn solche Fragen gestellt werden, wissen im ersten Moment keine Antwort, wollen unser Kind beschützen und denken, wenn wir über den Tod sprechen, belasten wir es. Doch das sind unsere Ängste und Gefühle, die wir in Bezug auf das Thema haben. Unsere Kinder haben ein Recht darauf zu lernen, wie sie mit dem Thema umgehen können.
Wir sollten ihnen die Möglichkeit geben durch Beobachtung und Erlebnisse in ihrem täglichen Leben den Tod kennen zu lernen. Wir Eltern dienen ihnen dabei als Vorbild und können ihnen vorleben wie wir mit dem Thema Sterben, Tod und Trauer umgehen. Wichtig ist, dass wir unsere eigenen Ängste und Gefühle anschauen und bearbeiten.
Ich erkläre einem Kleinkind, dass der ganze Körper aufhört zu funktionieren. Der Mensch oder das Tier nicht mehr essen, laufen, atmen kann. Normalerweise stirbt ein Mensch oder Tier, wenn es sehr alt ist. Leider gibt es auch schwere Krankheiten oder ein Unfall an dem Menschen und Tier sterben.
Kinder in diesem Alter brauchen oft keine ausführlichen Antworten. Ich habe die Erfahrung gemacht das manchmal eine kurze Antwort reicht und das Thema für den Moment erstmal erledigt ist.
Ich erkundige mich bei dem Kind, ob alles verstanden wurde und es noch weitere Fragen gibt. Immer signalisiere ich das jederzeit nachgefragt werden kann. Mein Ziel ist es Einsicht und praktisches Wissen zu geben, um zu verstehen was der Tod ist und wann er passieren kann. Außerdem vermittele ich, wie wir reagieren können, wenn ein geliebter Mensch stirbt. In dem ich von mir erzähle und wie es mir als Kind ging als ein geliebter Mensch verstorben ist oder ich einen Verlust erlebt habe.
Je nach Alter können Kinder Sterben und Tod unterschiedlich begreifen
Wir haben uns zunächst für die Strategie des Vom-Thema-Ablenkens entschieden, bis wir uns einig waren, wie wir „Tod“ und „Sterben“ mit unserem Sohn besprechen möchten. Gibt es unterschiedliche Strategien oder Erklärungsweisen abhängig vom Alter des Kindes?
Ja, was und wie Kinder den Tod verstehen, ist abhängig von der Entwicklungsstufe deines Kindes und soll dir als Orientierung für das Gespräch dienen.
- Bei Kindern zwischen 0-3 Jahren: Der Tod ist nicht begreifbar. Er ist gleichbleibend mit einer Abwesenheit auf Zeit und die Endgültigkeit ist kognitiv nicht fassbar.
- Bei Kindern zwischen 3-6 Jahren: Es werden vage Vorstellungen vom Tod entwickelt, aber immer noch als ein vorübergehender Zustand angesehen. Der Tod wird assoziiert mit Dunkelheit und Bewegungslosigkeit.
- Bei Kindern zwischen 6-12 Jahren: Sie beginnen die Endgültigkeit des Todes zu erfassen. Weiterhin fehlt aber das Begreifen, der Tod wird oft personifiziert. Und wird auch als Bestrafung empfunden.
- Bei Kindern ab der Pubertät: Hier wird der Tod als abschließend erfasst, als etwas Endgültiges. Es tauchen Sinnfragen auf wie beispielsweise: “Welchen Sinn hat das Leben?“ oder „Gibt es ein Leben nach dem Tod?“
Da jedes Kind individuell ist und die Situationen in dem es zum Gespräch kommen kann sehr unterschiedlich sind, ist es wichtig genau hinzuhören. Es ist gut, wenn du sofort, offen und ehrlich erfasst, was dein Kind wissen möchte. Wenn du merkst, dass du keine Antwort weißt, solltest du das ehrlich an dein Kind kommunizieren.
Sie begleiten regelmäßig Familien, wenn es um die Themen „Sterben“ und „Tod“ geht. Um welche Situationen handelt es sich dabei am häufigsten?
Es handelt sich dabei am häufigsten um folgende Situationen:
- in denen ein Elternteil oder Geschwisterkind lebensbegrenzt erkrankt ist oder im Sterben liegt. Ich finde mit der Familie zusammen einen Weg den Kindern zu erklären das eine geliebter Mensch schwer erkrankt ist und sterben wird. Begleite die Familie in der schwierigen Situation und bin da.
- in denen ein geliebter Mensch verstorben ist. Ich führe Gespräche mit den Kindern, Jugendlichen und Eltern.
- in denen Menschen Fragen zu dem Thema: „Wie spreche ich mit Kindern und Jugendlichen über das Thema Sterben, Tod und Trauer.“ haben.
- In denen Kindern und Jugendlichen Ängste in Bezug auf das Thema Sterben und Tod entwickelt haben.
Wenn ich selbst nicht an irgendeine Form des Lebens nach dem Tod glaube und mein Kind auch nicht „belügen“ möchte – wie erkläre ich ihm das „Nichts“ nach dem Tod, ohne es zu ängstigen?
In dem ich meinem Kind erkläre was ich glaube wie es nach dem Sterben sein wird. Wenn für mich als Elternteil das „Nichts“ nach dem Sterben stimmig ist und bei mir keine Ängste auslöst, dann kann ich es meinem Kind auch neutral und gelassen erklären. Ängste beim Kind entstehen meiner Meinung nach meist dadurch, dass unsere Ängste und unbewussten Gefühle vom Kind wahrgenommen werden. Außerdem merken die Kinder, ob wir ehrlich zu ihnen sind, etwas beschönigen oder anders erklären als wir es glauben.
Erklären in Geschichten hilft
Wenn es keinen konkreten Anlass für die Fragen gibt, ist die Erklärung möglicherweise recht abstrakt – ist es sinnvoll etwas plastischer z. B. anhand eines Tieres (tote Ameise) zu erklären?
Ja, ich schreibe gerne Geschichten und lese diese mit den Kindern zusammen. So komme ich leichter ins Gespräch und die Kinder stellen ihre Fragen.
Die kleine Ameise Amelie lebt in einem großen Ameisenhaufen im Garten. Sie ist schon sehr sehr alt und sehr krank. Ihre Beine können sie nicht mehr tragen und sie bleibt oft im Bett im Ameisenhaufen liegen. Die anderen besuchen sie oft und bringen ihr Essen aus dem Garten mit. An einem Sonntag als die Sonne gerade aufgeht hörte das kleine Herz der alten Ameise Amelie auf zu schlagen.
Die Ameisenkinder versammeln sich um ihr Bett und der Ameisenopa erklärt ihnen, dass Amelie jetzt nicht mehr atmen, sprechen, sehen und fühlen kann. Wer will darf Amelie berühren, sie ist ganz kalt und auch steif. Die Kinder begreifen das etwas anders ist als sonst. Sie fragen den Ameisenopa: „Was passiert nach dem Sterben?“ Er antworte: „Genau kann ich Euch das nicht erklären, da noch niemand zurückgekommen ist und davon berichtet hat.“ „Ich glaube………………“
Da der Ameisenopa ganz gelassen darüber spricht sind alle erleichtert und es macht ihnen keine Angst darüber zu sprechen. Aber auch noch einige Wochen nach dem Tod der alten Ameise Amelie fragen die Kinder oft: „Wann kommt Amelie wieder?“ Sie konnten nicht glauben das sie nie wieder kommt. Doch der Ameisenopa erklärt ihnen immer wieder, dass sie nicht wieder kommen wird und beantwortet ihre Fragen geduldig.
Nun ist der Tod für die Ameisenkinder nichts mehr, wovor sie Angst haben müssen. Sie verstehen das jede Ameise geboren wird, lange im Ameisenhaufen lebt, Nahrung sucht und wenn sie viel gearbeitet hat und sehr alt ist, stirbt. Manchmal gibt es aber auch sehr sehr schwere Krankheiten oder es passiert ein Unfall im Garten und die Ameise stirbt schon früher.
Einige Sätze gilt es zu vermeiden, wenn wir mit unseren Kindern übers Sterben sprechen
Was sollte ich auf jeden Fall vermeiden, wenn ich mit Kindern übers Sterben spreche?
Auf jeden Fall vermeiden sollten wir:
- eine Antwort zu geben, die ich selbst nicht glaube.
- mal schnell zwischendurch zu antworten
- keine Zeit zu lassen für Nachfragen des Kindes
- das Kind nicht entscheiden lassen, wie und wann es über das Sterben sprechen möchte. Oft reicht schon eine kleine ehrliche Antwort und das Thema ist für das Kind erstmal erledigt. Und es kommt vielleicht immer mal wieder auf das Thema zurück.
Folgende Sätze sollten wir als Eltern aber vermeiden:
- „Er ist eingeschlafen.“ Wenn Schlaf mit Tod gleichgestellt wird, kann dein Kind Angst bekommen und will nicht mehr einschlafen da es denkt, dass es dann nicht mehr aufwacht.
- „Sie hat ihn verloren.“ Dein Kind kann spontan antworten: „Ist doch nicht schlimm, dann muss sie ihn nur suchen.“ Für deinen Nachwuchs erklärt das den Tod nicht.
- „Die Tante ist im Krankenhaus gestorben.“ Dein Kind kann dem Krankenhaus die Schuld am Tod zuweisen. Und Angst bekommen, wenn ein ihm nahestehender Menschen oder es selbst ins Krankenhaus kommt. Das Krankenhaus wird durch solche Sätze zu einem Ort, an dem Menschen sterben müssen.
- „Das verstehst Du noch nicht / Dafür bist Du noch zu klein.“ Schon kleine Kinder verstehen mehr als wir denken. Und wenn wir nicht mit ihnen darüber reden, machen sie sich eigene Vorstellungen und da kann es dazu kommen, dass sie sich schlimme Dinge ausdenken.
- „Er ist heimgegangen.“ Dein Kind denkt der Opa ist zu Hause, kann wieder zurückkommen. Gleichzeitig kann Enttäuschung und Wut entstehen, da er einfach gegangen ist, ohne sich zu verabschieden.
- „Gott hat ihn geholt.“ Die Aussage kann dazu führen, dass dein Kind Angst vor Gott bekommen oder nichts mehr mit Gott zu tun haben will. Diese Aussage kann also zu Schwierigkeiten im Glauben führen.
Fazit
Das spannende Interview mit Vera Erb zeigt, wir sollten mit unseren Kindern offen und ehrlich über das Thema sprechen, aber auch nur so, wie wir uns damit wohlfühlen. Wir können unseren Kindern sachlich über die körperlichen Veränderungen sprechen, die mit dem Tod eintreten und ihnen auch sagen, wenn wir manche Dinge nicht wissen oder Fragen nicht beantworten können.