Ob wenige Wochen nach der Geburt oder nach einem Jahr Elternzeit: Irgendwann kehren die meisten Mütter in ihren Beruf zurück. Nicht alle haben zu diesem Zeitpunkt schon abgestillt. In diesem Artikel erfährst du, welche Rechte du hast, wenn du am Arbeitsplatz stillen oder Muttermilch abpumpen möchtest.
Stillen am Arbeitsplatz: (D)ein gutes Recht
Im Sommer 2023 löste die Grünen-Politikerin Laura Sophie Dornheim einen Shitstorm aus, als sie ein Foto von sich auf X, ehemals Twitter, postete. Es zeigt sie im Homeoffice, vor dem Laptop sitzend und ihr Baby stillend. Auch Jacinda Ardern, damals noch Premierministerin Neuseelands, sorgte vor einigen Jahren für Aufsehen, als sie ihre drei Monate alte Tochter in den Saal einer UN-Vollversammlung mitnahm.
Die Beispiele zeigen: Frauen, die Kinder und Karriere vereinbaren möchten, müssen sich auch in der heutigen Zeit noch rechtfertigen, vor der Gesellschaft und vor Arbeitgebern. Dabei sollte es in Zeiten des Fachkräftemangels – und im Sinne der Gleichberechtigung – längst selbstverständlich sein, Mütter zu unterstützen, die schon kurz nach der Geburt wieder in ihren Beruf zurückkehren möchten. Zum Beispiel mit Still- und Abpumpmöglichkeiten vor Ort.
Wunsch nach Vereinbarkeit
Im Jahr 2021 haben acht Prozent der erwerbstätigen Mütter in Deutschland ihr Kind während der Arbeitszeit im Unternehmen gestillt. Das zeigt eine Studie des Deutschen Gewerkschaft Bundes (DGB) unter 555 Müttern. Weitere elf Prozent haben ihr Kind im Homeoffice gestillt und 17 Prozent haben ihrem Baby außerhalb ihrer Erwerbsarbeitszeiten die Brust gegeben.
Es gibt viele Gründe, warum Mütter nach der Elternzeit tagsüber noch stillen. Manchmal klappt das Abstillen nicht und die Brust beginnt im Büro zu drücken. Bei einigen Müttern ist das Baby noch sehr klein. Und wieder andere Mütter möchten die Stillbeziehung einfach noch nicht aufgeben.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt sogar, Babys sechs Monate lang voll zu stillen und Kindern mindestens bis zum zweiten Geburtstag neben der Beikost noch Muttermilch zu geben. Das Stillen fördert die sichere Eltern-Kind-Bindung, heißt es dort, und stärkt die Gesundheit von Säugling und Mutter. Gestillte Babys werden seltener krank und haben auch später im Leben noch ein geringeres Risiko, an Adipositas, Allergien oder Typ-2-Diabetes zu erkranken. Bei Müttern sinkt das Risiko für Brustkrebs und Eierstockkrebs.
Angst vor beruflichen Nachteilen
Doch viele Mütter trauen sich nicht, bei ihren Arbeitgebern nachzufragen, ob sie im Büro stillen oder abpumpen dürfen. Sie fürchten eine Kündigung, Ausgrenzung oder weniger anspruchsvolle Aufgaben, wenn sie aufgrund ihres Kindes zusätzliche Pausen einfordern, selbst wenn ihnen diese per Gesetz zustehen. Auch die DGB-Studie zeigt, dass stillende Mütter im Job noch immer auf Überraschung, Ignoranz und Verärgerung stoßen, wenn sie ihre Rechte einfordern.
Dabei profitieren auch Arbeitgeber, wenn sie Müttern das Comeback nach der Elternzeit erleichtern. Zum Beispiel mit einem separaten Raum zum Abpumpen – und mit Offenheit und Verständnis für dieses Thema. Denn wenn wir uns am Arbeitsplatz wohlfühlen und wissen, dass es auch unseren Kindern gutgeht, sind wir seltener krank, arbeiten motivierter und leisten mehr.
Stillen während der Arbeitszeit: Was ist erlaubt?
Seit dem Jahr 2018 ist es im Mutterschutzgesetz festgelegt: Laut Paragraf Sieben haben Mütter ein Recht darauf, während der Arbeitszeit ihr Baby zu stillen. Mindestens zweimal täglich für jeweils eine halbe Stunde, oder einmal täglich für eine volle Stunde, heißt es dort. Mütter dürfen selbst entscheiden, wie sie die Stillzeiten einteilen. Trinkt das Kind länger als dreißig Minuten am Stück? Laut Gesetz muss der Arbeitgeber auch das akzeptieren.
Bei Arbeitszeiten von mehr als acht Stunden am Stück haben Mütter Anspruch auf zwei Stillzeiten von mindestens 45 Minuten. Wenn in der Nähe des Betriebs keine Stillgelegenheit vorhanden ist, dürfen sie mindestens einmal für 90 Minuten stillen. Voraussetzung ist, dass die Arbeitszeit nicht durch eine Ruhepause von mehr als zwei Stunden unterbrochen ist.
Doch Achtung: Das Recht auf Stillpausen gilt nur für Kinder bis zum ersten Geburtstag. Bei älteren Kindern gilt es nicht mehr. Wer länger stillen möchte, ist also auf die Gunst des Arbeitgebers angewiesen.
Abpumpen am Arbeitsplatz: Was steht mir zu?
Die Stillzeiten während der Arbeitszeit dürfen Mütter auch zum Abpumpen nutzen. Betriebe sind verpflichtet, einen separaten Raum zum Stillen oder Abpumpen zur Verfügung zu stellen. Der Raum sollte einen bequemen Stuhl oder Sessel enthalten, einen kleinen Tisch und, wenn möglich, einen Kühlschrank, um Milch aufbewahren zu können.
Wenn am Arbeitsplatz keine Rückzugsmöglichkeit besteht, dürfen Mütter zum Stillen und Abpumpen auch nach Hause gehen.
Laut Paragraf 23 des Mutterschutzgesetzes darf durch das Stillen und Abpumpen kein Verdienstausfall bei Müttern entstehen. Arbeitgeber dürfen von ihnen nicht verlangen, die Zeiten vor- oder nachzuarbeiten. Auch betrieblich festgelegte Pausen dürfen sie Müttern dafür nicht kürzen.
Schutz vor Gefahren am Arbeitsplatz
Laut der Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz müssen Betriebe die Gesundheit von stillenden Mitarbeiterinnen schützen.
Sie dürfen ihnen keine Arbeiten auferlegen, die ihre Gesundheit oder die ihres Kindes beeinträchtigen könnten. Dazu zählt zum Beispiel der Kontakt mit giftigen Chemikalien oder Krankheitserregern.
Stillende Mütter dürfen auch keine Akkord- oder Fließbandarbeit verrichten und zu keinen Nachtschichten verpflichtet werden. Es gibt jedoch Ausnahmeregelungen, zum Beispiel in der Gastronomie. Betriebe sollten ihren Arbeitsplatz so einrichten, dass Stillende ausreichend vor Gefährdungen geschützt sind.
Stillen: Wunsch und Wirklichkeit
Leider klaffen Theorie und Wirklichkeit noch allzu oft auseinander: Trotz des Mutterschutzgesetzes erleben noch immer viele Mütter Benachteiligungen am Arbeitsplatz, wie eine repräsentative Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus dem Jahr 2022 zeigt. Darin berichten 41 Prozent der 2500 befragten Eltern von Diskriminierungen im Job aufgrund ihrer Kinder. Häufig wurden die Arbeitsverträge der Mütter nicht entfristet. Auch Kündigungen im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Elternschaft kamen in vielen Fällen vor.
Mütter, die weiterhin stillen möchten, sprechen am besten noch während der Elternzeit mit ihren Vorgesetzten und klären Fragen wie: Welcher Raum eignet sich zum Abpumpen? Wie könnten die Stillzeiten gelegt werden?
Um Eltern im Beruf wirklich vor Diskriminierung zu schützen, wären in Zukunft weitere Gesetze nötig. Damit Bilder von stillenden Müttern vor dem Laptop endlich als normal wahrgenommen werden.
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