Spätestens im Wochenbett sollten sich Eltern Gedanken darüber machen, wie sie während der Stillzeit verhüten wollen. Es sei denn, sie planen, berauscht vom Familienglückscocktail, schon das nächste Kind. Das könnte sich allerdings schneller ankündigen als gedacht: Ohne Verhütung liegt manchmal weniger als ein Jahr zwischen Geschwisterkindern. Früher sollen Frauen tatsächlich nach dem Sex vom Tisch gesprungen sein, um eine Schwangerschaft zu verhindern. Zum Glück wissen wir heute mehr über Verhütung. Unter bestimmten Umständen kann das Stillen selbst einen gewissen Empfängnisschutz bieten, worauf wir in diesem Artikel eingegangen sind. Welche Möglichkeiten Paare in der sensiblen Stillzeit sonst noch haben, was für und gegen Minipille, Spirale, Kondom und Co. spricht, darum geht es in diesem Beitrag.
Ein paar Sätze zur Sicherheit von Verhütungsmitteln
Wer wissen möchte, wie sicher ein Verhütungsmittel ist, der kann sich am sogenannten Pearl-Index orientieren. Er wurde von dem US-amerikanischen Biologen Raymond Pearl entwickelt. Der Pearl-Index gibt an, wie viele ungeplante Schwangerschaften auftreten, wenn 100 Frauen ein Jahr lang eine bestimmte Verhütungsmethode anwenden. Je niedriger der Wert, also je weniger Schwangerschaften auf hundert Frauen kommen, desto sicherer ist die Methode.
Ein Pearl-Index von 2 bedeutet: Zwei von hundert Frauen, die ein Jahr lang mit der gleichen Methode verhüten, werden schwanger.
Ein Pearl-Index von 0,1 bedeutet: Nur eine von tausend Frauen, die ein Jahr lang das gleiche Verhütungsmittel verwendet haben, wird schwanger.
Wird überhaupt nicht verhütet, liegt der Pearl-Index bei 85
Der Klassiker: das Kondom
Kondome können während der gesamten Stillzeit bedenkenlos verwendet werden und schützen auch vor Geschlechtskrankheiten.
Pearl-Index: 2-12
Vorteile:
- keine hormonellen Nebenwirkungen
- Anwendung jederzeit ohne viel Vorbereitung möglich
- Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten
Nachteile:
- Es kommt erstaunlich oft zu Anwendungsfehlern. Das zeigt auch die große Spanne im Pearl-Index. Von 2 – perfekte Anwendung – bis 12 – typische Anwendung. Zu den häufigsten „Fehlern“ gehören eine falsche Kondomgröße, ein abgelaufenes Verfallsdatum oder die Verwendung eines Gleitgels, das nicht explizit für Kondome vorgesehen ist
- Manche Menschen empfinden das Kondom beim Sex als störend und lustmindernd
Diaphragma
Wie das Kondom zählt das Diaphragma zu den Barrieremethoden. Es handelt sich um eine Kappe aus Silikon, die vor dem Sex in die Vagina eingeführt wird. Zuvor wird es mit einem sogenannten Verhütungsgel bestrichen. Das Diaphragma muss individuell angepasst werden.
Pearl-Index: 1-20
Vorteile:
- Es ist hormonfrei
- Es kann bis zu zwei Jahre lang verwendet werden
Nachteile:
- Man braucht einiges an Übung, um es korrekt einzusetzen
- Spontaner Sex ist nicht möglich, da das Diaphragma ein bis zwei Stunden vorher eingesetzt werden muss
- Nonoxinol-9-haltige Verhütungsgele können in Spuren in die Muttermilch übergehen
- Das Diaphragma muss nach der Geburt neu angepasst werden. Das ist frühestens drei Monate nach der Entbindung möglich
Kupferspirale
Die Kupferspirale wird in die Gebärmutter eingesetzt und gibt Kupferionen ab, die ein Einnisten der Eizelle verhindern.
Pearl-Index: 0,3-0,8
Vorteile:
- Die Kupferspirale bietet einen langfristigen Schutz über mehrere Jahre
- Sie hat keine hormonellen Auswirkungen auf die Milchproduktion
Nachteile:
- Die Spirale muss von einem Arzt, einer Ärztin eingesetzt werden
- Einige Frauen berichten von schwereren Periodenblutungen und verstärkten Menstruationsbeschwerden
Die Pille bzw. Minipille
Auf die Einnahme der Antibabypille sollte während der gesamten Stillzeit verzichtet werden. Die enthaltenen Östrogene verringern die Milchmenge und können auch die Zusammensetzung der Muttermilch verändern. Anders die Minipille: Sie enthält lediglich Gestagen. Dieses Hormon ist zwar in der Muttermilch nachweisbar, jedoch wurde bisher kein schädlicher Einfluss auf das Kind festgestellt.
Pearl-Index: 0,5-3
Vorteile:
- Bei richtiger Anwendung sehr wirksam
- Die Periodenblutung wird meist schwächer und die Schmerzen nehmen ab
Nachteile:
- Erfordert viel Disziplin: Die Minipille muss strikt jeden Tag zur gleichen Uhrzeit eingenommen werden.
- Nebenwirkungen wie Gewichtsveränderungen, Kopfschmerzen oder eine verminderte Libido sind möglich – wenn auch in geringerem Ausmaß als bei der Antibabypille
- Es gibt Berichte über Zwischenblutungen und Zyklusunregelmäßigkeiten
- Geringe Mengen des Wirkstoffs gehen in die Muttermilch über
Hormonspirale
Wie die Minipille enthält die Hormonspirale nur das Hormon Gestagen. Sie wirkt bis zu fünf Jahre lang.
Pearl-Index: 0,16
Vorteile:
- Die Hormonspirale bietet mit einem Pearl-Index von 0,16 eine extrem hohe Sicherheit
- Um die Verhütung muss man sich für mehrere Jahre keine Gedanken mehr machen
- Die Periodenblutung wird meist schwächer und weniger schmerzhaft – manchmal bleibt sie sogar ganz aus
Nachteile:
- Die Spirale muss von einem Arzt, einer Ärztin eingesetzt werden
- Es kommt zu unregelmäßigen Blutungen
- Geringe Mengen des Wirkstoffs gehen in die Muttermilch über
Dreimonatsspritze
Die Dreimonatsspritze verspricht Sicherheit für 90 Tage. Sie enthält wie die vorgenannten Methoden ebenfalls nur Gestagen.
Pearl-Index: 0,3-0,88
Vorteile:
- Man muss nicht wie bei der Pille an eine tägliche Einnahme denken. Gleichzeitig hält die Wirkung nicht so lange an wie bei der Spirale – falls doch wieder ein Kinderwunsch aufkommt
Nachteile:
- Die Spritze muss alle 90 Tage erneut gegeben werden
- Sie greift viel stärker in den Hormonhaushalt ein als die Pille. Viele Frauen vertragen sie nicht besonders gut
- Geringe Mengen des Wirkstoffs gehen in die Muttermilch über
Natürliche Familienplanung
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die fruchtbaren Tage selbst zu bestimmen und an diesen Tagen bewusst auf Geschlechtsverkehr zu verzichten oder eine Barrieremethode anzuwenden. Die Symptothermale Methode kombiniert dabei verschiedene Zeichen des weiblichen Körpers. Erstens wird nach dem Aufwachen die Temperatur gemessen und notiert. Um den Eisprung herum steigt die Temperatur an. Zweitens verändert sich der sogenannte Zervixschleim im Laufe des Zyklus. Und drittens kann die Frau Veränderungen auch mit dem Finger am Muttermund ertasten. Werden alle drei Zeichen beachtet und notiert, erhöht das die Sicherheit der Methode. Die fruchtbaren Tage lassen sich so auf 12-14 Tage im Zyklus eingrenzen, an denen zusätzlich verhütet werden sollte.
Pro familia hat ein kurzes Erklärvideo zur natürlichen Familienplanung.
Mehr auch unter Sensiplan.de
Pearl-Index der Symptothermalen Methode: 0,4-1,8
Vorteile:
- Die Frau lernt, auf die natürlichen Vorgänge im Körper zu achten
- Keine Nebenwirkungen
- Es gibt Apps, die bei der Auswertung helfen
Nachteile:
- Diese Methode erfordert ein hohes Maß an Kontrolle
- Man sollte mindestens drei Zyklen einplanen, um die Methode zu lernen
- In der Stillzeit gelten für die Beobachtung der Körpersignale besondere Regeln. Stillende Frauen, die sich erst jetzt mit der Natürlichen Familienplanung auseinandersetzen, tun sich oft schwer
Sterilisation
Ist eure Familienplanung definitiv abgeschlossen? Dann könnt ihr über eine Sterilisation nachdenken. Dabei werden bei der Frau die Eileiter verschlossen, beim Mann die beiden Samenleiter durchtrennt. Der Eingriff beim Mann ist risikoärmer als die Sterilisation der Frau.
Pearl-Index bei der Frau: 0,2-0,3
Pearl-Index beim Mann: 0,1
Vorteile:
- Die Methode bietet einen nahezu hundertprozentigen Empfängnisschutz
- Zyklus, Potenz und Lustempfinden werden nicht beeinträchtigt
Nachteile:
- Ein operativer Eingriff ist nötig
- Er kann praktisch nicht rückgängig gemacht werden. Ein erneuter Kinderwunsch kann daher auch bei veränderten Lebensumständen nicht erfüllt werden.
Verhütung während der Stillzeit – eine persönliche Entscheidung
Die Wahl des richtigen Verhütungsmittels während der Stillzeit ist eine sehr persönliche Entscheidung. Bittet gerne auch eure Frauenärztin, euren Frauenarzt um Rat. Und auch die Beratungsstellen von pro familia informieren über Möglichkeiten der Empfängnisverhütung. Einen ausgezeichneten allgemeinen Überblick über die verschiedenen Verhütungsmethoden bietet zudem diese Seite des Universitätsklinikums Tübingen.
Foto oben: Toa Heftiba auf Unsplash