Der Weihnachtsmann bringt die Geschenke, erzählen viele Eltern ihren Kindern. Es ist ja auch so wundervoll, eigene Kindheitserinnerungen aufleben zu lassen und den Zauber von Weihnachten zu bewahren. Der Glaube an den Mann im roten Mantel kann das Weihnachtsfest erst so richtig magisch machen – für Kinder wie für Erwachsene. Aber ist es eigentlich ok, Kindern vom Weihnachtsmann zu erzählen und sie damit streng genommen anzulügen? Passt der alte Mann mit dem weißen Bart noch in unsere Zeit oder sollte er sich besser zur Ruhe setzen, am Nordpol, in Korvatunturi oder in Himmelspforten? Wir haben Gründe für und gegen ihn gesammelt.
Woher kommt der Glaube an den Weihnachtsmann?
Gibt es ihn wirklich? Fragt man Kinder danach, sind sie oftmals ganz überzeugt. Der Weihnachtsmann wohnt am Nordpol, erzählen sie. Er fliegt mit seinem Rentierschlitten durch die heilige Nacht und wird ihnen auch in diesem Jahr am 24. Dezember ganz sicher wieder viele Geschenke bringen. Woher seine Geschichte eigentlich kommt, darum ranken sich jedoch viele Mythen. Hat Coca Cola den Weihnachtsmann erfunden? Ist er eine Abwandlung des Nikolauses?
Tatsächlich spricht einiges dafür, dass der heilige Nikolaus, der Bischoff von Myra, einst als Vorlage für den Weihnachtsmann diente. Er soll im vierten Jahrhundert nach Christus heimlich Geschenke verteilt und den Armen geholfen haben. Von ihm stammt auch der typische rote Mantel. Holländische Siedler in den USA brachten die Idee des Santa Claus im 17. Jahrhundert weiter voran, angelehnt an den Sinter Klaas, der in den Niederlanden am 6. Dezember die Geschenke bringt.
Anfang der 1930er Jahre tauchte der Weihnachtsmann erstmals als alter Mann mit Rauschebart in einer Werbekampage von Coca-Cola auf. Der Getränkekonzern war jedoch nicht der erste, der den Weihnachtsmann auf diese Weise darstellte. Die Darstellung ging auf eine Zeichnung zurück, die der US-Grafiker Thomas Nast Mitte des 19. Jahrhunderts in der Zeitschrift „Harper’s Weekly“ veröffentlichte.
Zwischendurch bekam der Weihnachtsmann Konkurrenz, vom Christkind, das auf eine Idee von Martin Luther zurückgehen soll. Auch heute noch glauben in einigen Regionen Deutschlands die Kinder an das Christkind. Weltweit setzte sich jedoch der Weihnachtsmann durch und ist heute in vielen Familien nicht mehr wegzudenken.
Was spricht für den Weihnachtsmann?
- Magische Kindheitserinnerungen
- Freude und Spannung
- Kultur und Tradition bewahren
- Gemeinsamkeit schaffen
Magische Kindheitserinnerungen
Zwischen dem dritten und fünften Lebensjahr sind Kinder in der sogenannten „magischen Phase„. In dieser Zeit sind sie besonders empfänglich für Fantasiegeschichten. Sie erleben die Welt als einen von Logik freien Ort, an dem alles möglich ist – auch ein Weihnachtsmann, der allen Kindern auf der Welt die Geschenke bringt, mit einem fliegenden Schlitten, in einer einzigen Nacht. Sie können sich ganz auf diese Geschichte einlassen und den Zauber auf sich wirken lassen.
Freude und Spannung
Die Vorfreude auf den Weihnachtsmann und die Geheimnistuerei drumherum sorgen für das besondere Kribbeln an Heiligabend. Liegen dann die Geschenke unter dem Baum, sind sich die Kinder sicher: Der Weihnachtsmann war da – es gibt ihn wirklich. Die meisten Eltern teilen die Freude mit ihren Kindern und fühlen sich an ihre eigene Kindheit erinnert. Die fröhliche Stimmung kann verbindend sein, Nähe und schöne Erinnerungen schaffen.
Kultur und Tradition bewahren
Auch wenn es an Weihnachten ursprünglich um Jesus geht : Mittlerweile ist der Weihnachtsmann in unserem Land ein fester Brauch. Indem Eltern ihren Kindern von ihm erzählen, geben sie auch ein Kulturgut weiter.
Gemeinsamkeit schaffen
Zwar besteht Deutschland längst nicht mehr nur aus Christen. Nicht alle Familien feiern Weihnachten. Im Kindergarten und in der Grundschule reden Kinder jedoch über das Fest und über den Weihnachtsmann. Es kann Zugehörigkeit schaffen, wenn Kinder das Gefühl haben: Er kommt auch zu uns jedes Jahr.
Was spricht gegen den Weihnachtsmann?
- Kommerz statt Besinnlichkeit
- Veraltete Erziehungsmethoden
- Die Arbeit der Mütter wird unsichtbar gemacht
- Eltern sagen ihren Kindern nicht die Wahrheit
Kommerz statt Besinnlichkeit
Eigentlich erzählt die Weihnachtsgeschichte von Bescheidenheit. Das Jesuskind wird in einem Stall geboren. Es geht darum, innezuhalten und sich auf das zu besinnen, was im Leben wirklich wichtig ist – Werte wie Nächstenliebe, Frieden und Demut. Damit hat das moderne Weihnachten nicht mehr viel zu tun. Der Weihnachtsmann steht auch für Kommerz, für Geschenkeberge und Kaufhausstress. Andererseits vermittelt er auch Werte wie Großherzigkeit und Hilfsbereitschaft. Es kommt ganz darauf an, was man aus der Geschichte macht.
Veraltete Erziehungsmethoden
„Nur die braven Kinder bekommen Geschenke.“
„Die bösen Kinder bekommen die Rute.“
„Der Weihnachtsmann sieht alles und macht sich Notizen auf seiner Liste.“
Lange Zeit diente der Weihnachtsmann unter Eltern auch als Druckmittel, damit Kinder folgsam waren. Mit der heute von Pädagog*innen empfohlenen bindungsorientierten Erziehung hat das wenig zu tun. Zum Glück zeigen die meisten Hollywoodfilme einen anderen Weihnachtsmann. Ein großväterlicher, milde lächelnder Mann mit dickem Bauch und weißem Bart, der alle Kinder freundlich behandelt und niemandem Angst einjagt. Und schließlich haben Eltern es selbst in der Hand, wie sie Kindern vom Weihnachtsmann erzählen möchten.
Die Arbeit der Mütter wird unsichtbar gemacht
Das Weihnachtsfest bedeutet für Eltern auch eine Menge Arbeit. Die Kinder müssen nach ihren Wünschen befragt werden, jemand muss die Geschenke kaufen, liebevoll verpacken und den Tannenbaum weihnachtlich schmücken. Auch wenn viele Eltern eine gleichberechtigte Partnerschaft leben wollen, übernehmen in den meisten Familien noch immer Mütter diese Aufgaben. Um den Kindern eine Freude zu machen, natürlich. Doch am Ende erntet – ausgerechnet – ein alter weißer Mann den Jubel dafür. Ein bisschen unfair ist das schon.
Eltern sagen ihren Kindern nicht die Wahrheit
Mit der Geschichte vom Weihnachtsmann erzählen Eltern eine Lüge. Und die ist gar nicht mal so harmlos, wie man meint. Vor einigen Jahren erschien eine Studie der Psychologen Christopher Boyle und Kathy McKay. Im Fachmagazin „The Lancet“ schrieben sie, dass die Weihnachtsmann-Lüge das Vertrauen der Kinder in die Eltern erschüttern würde, ja, sogar traumatisierend wirken könne. Viele Kinder reagieren enttäuscht und traurig, wenn sie die Wahrheit über Weihnachten erfahren.
Allerdings erzählen Eltern die Geschichte mit der Absicht, Kindern eine Freude zu machen. Für kleine Kinder sei der Glaube an den Weihnachtsmann eine Bereicherung, meint hingegen der Berliner Psychologe Peter Walschburger. Mythen, Märchen und Ritualen hätten einen wohltuenden Gegenpol zur ansonsten rationalen Welterklärung. Menschen brauchten beides: „Aufgeklärtes Denken und Verzauberungen.“ Ganz einig sind sich die Wissenschaftler*innen also nicht.
Fazit
Ob Eltern ihren Kindern vom Weihnachtsmann oder vom Christkind erzählen, darf zum Glück jede Familie selbst entscheiden. Wir finden jedenfalls: Den ganz besonderen Weihnachtszauber bringt erst der Glaube an eine mystische Figur, die nur für Kinder da ist und sich jeglicher Erwachsenen-Logik entzieht. Kinder haben ohnehin einen ganz eigenen Blick auf die Dinge. Lassen wir sie doch selbst entscheiden, ob sie an den Weihnachtsmann glauben möchten, oder nicht (und wie lange). Durchschnittlich mit acht Jahren hören die meisten Kinder ohnehin damit auf. Und bis dahin heißt es in vielen Familien auch in diesem Dezember wieder: „Ho, ho, ho“.