Zweisprachig aufzuwachsen bringt in unserer globalisierten Welt viele Vorteile hinsichtlich beruflicher Perspektiven eines Menschen. Viele Eltern wünschen sich für ihre Kinder, dass ihnen die Welt einmal offen stehen wird. Auf was ihr bei der bilingualen Erziehung achten solltet und ob es auch funktioniert, wenn beide Elternteile die gleiche Muttersprache sprechen, erklären wir euch hier.
Zweisprachig aufwachsen
Wir leben in einer Zeit der Globalisierung. Volkswirtschaften, Märkte und Dienstleistungen sind weltweit verflochten. Berufsangebote konzentrieren sich nicht mehr nur auf das eigene Land. Da ist es von großem Vorteil, wenn ein Kind bilingual erzogen wird. Eine Schlüsselrolle spielen da sicherlich Weltsprachen wie Englisch, Französisch, Spanisch oder auch Chinesisch. Wer eine zweite Sprache spricht, gilt als weltoffen und hat später bessere Chancen im Berufsleben. Auch verschiedene Studien legen die Mehrsprachigkeit als Gewinn dar. So soll beispielsweise das Erlernen einer weiteren Sprache im Schulalltag leichter werden.
Was bedeutet eigentlich „bilinguale / zweisprachige Erziehung“? Das Kind wächst mit zwei oder drei Sprachen auf. Meist geschieht dies, weil die Eltern eine unterschiedliche Muttersprache sprechen. Viele Kinder aus geflüchteten oder eingewanderten Familien wachsen zweisprachig auf, da die Eltern die Landessprache (noch) nicht beherrschen. Das Kind lernt dann die Herkunftssprache der Eltern wie eben auch die des Wahllandes.
Für die meisten Eltern ist es ganz natürlich, in der Muttersprache mit seinem Kind zu sprechen. Sie ist vertraut: Die alten Kinderlieder und Reime oder Sprüche der Großeltern kommen mit den eigenen Kindheitserinnerungen zurück. Der Fördergedanke ist da meist zweitrangig. In den meisten Fällen ist das bilinguale Aufwachsen ein ganz intuitiver Vorgang. Für Kinder ist es dann ganz normal, mit zwei Sprachen aufzuwachsen.
Vorteile der zweisprachigen Erziehung
Die Vorteile vom frühen Erlernen mehrerer Sprachen liegen klar auf der Hand:
Bessere Zukunftschancen
Wir sprachen es bereits an. Wer zwei oder mehr Sprachen fließend bzw. auf muttersprachlichem Niveau spricht, hat bessere Chancen im Erwachsenenleben, was Beruf und Karriere angeht.
Ausgeprägtes Bewusstsein für Sprachen
Kinder, die mit zwei oder mehr Sprachen aufwachsen, entwickeln oft ein besonderes Gefühl für Sprache im Allgemeinen. Das Erlernen fällt ihnen oft leichter. Beispielsweise können sie sich viele Bedeutungen selbst herleiten und haben eher ein Gespür für Regeln und Rhythmen.
Selbstbewusstsein
Mehrsprachigkeit ist eine Fähigkeit, die andere Gleichaltrige nicht mitbringen. Wird dem Kind bewusst, welch Stärke es besitzt, kann dies das Selbstbewusstsein des Kindes stärken.
Weltoffenheit
Bilinguale Erziehung bezieht sich nicht nur auf die Sprache, denn sie ist immer auch eng mit der jeweiligen Kultur verknüpft. Die Kinder lernen mit dem Sprechen auch die Kultur und ihre Tradition. Viele mehrsprachig aufwachsende Menschen zeigen eine größere Offenheit gegenüber Neuem und gehen vorurteilsfreier durch die Welt.
Wie erziehen wir zweisprachig?
Vorab ist es wichtig, zu bedenken: Jedes Kind ist im Erlernen einer Sprache ganz individuell. Auch der Zeitpunkt, wann ein Kind zu sprechen beginnt, ist unterschiedlich. Lernen Kinder mehrere Sprachen von Beginn an, gibt es die einen, die klar trennen und die, die beide Sprachen mischen. Wieder andere bevorzugen die Sprache, die auch im Alltag außerhalb der Familie gesprochen wird. Bleibt gelassen. Das Mischen wird aufhören, wenn sich das Kind in beiden Ausdrucksweisen sicher fühlt.
Der richtige Zeitpunkt
Wann ist eigentlich der richtige Zeitpunkt zu starten? Die zweisprachige Erziehung beginnt allerspätestens mit der Geburt des Kindes. Doch auch schon in der Schwangerschaft ist es sinnvoll, mit dem Kind in beiden Sprachen zu sprechen. Dies funktioniert, sobald das Gehör ausgebildet ist. Lasst das Baby im Bauch wissen, wer mit ihm spricht. Singt ihm etwas vor.
Zweisprachige Erziehung braucht Regeln
Ohne Regeln wird jede Erziehung schwierig. Auch die Bilinguale. Der wichtigste Punkt ist hier: Beide Sprachen müssen häufig und regelmäßig gesprochen werden. Dies klappt am besten, wenn jeder Elternteil ab Geburt in seiner Muttersprache mit dem Kind spricht. Dies bezeichnet man auch als OPOL-Strategie (One Parent, One Language – ein Elternteil, eine Sprache.) Dazu gehört auch das gemeinsame Singen oder Lesen. Sprecht sehr viel mit eurem Kind. Beide Sprachen müssen im lebendigen Alltag stattfinden. Benennt alltägliche Gegenstände. Beschreibt, was ihr bei einem gemeinsamen Spaziergang seht. Telefoniert mit Oma und Opa, Tanten und Onkels. Viel zusprechen ist das A und O für einen Lernerfolg.
Wenn das Kind in den Kindergarten / die Schule kommt, wird die Landessprache seinen Alltag dominieren. Die Erfahrungen und Erlebnisse, der Austausch mit Gleichaltrigen wird in dieser Sprache stattfinden. Unterschätzt das nicht. Für das lernende Kind ist es oft leichter, über Erlebnisse in der Sprache zu reden, in der es diese auch erlebt hat. Erinnert euer Kind dann stets daran, wie es mit euch sprechen soll, und bleibt da konsequent. Das fällt natürlich schwer, wenn Mitanwesende eine andere Muttersprache haben. Für das Lernen ist es allerdings sehr wichtig. Am besten erklärt man das Ganze einmal kurz, um mögliche Missverständnisse aus dem Weg zu räumen.
Jedes Kind wird Fehler machen. Egal ob es eine oder mehrere Sprachen lernt. Verbessert es nicht. Seid ein sprachliches Vorbild. Als Beispiel:
Kind: „Was sind das für eine Tier?“
Erwachsende: „Was ist das für ein Tier? Das ist…“
Einige Familien gehen die zweisprachige Erziehung auch locker an und haben Erfolg. Hier darf jedes Familienmitglied die Sprache sprechen, die ihm oder ihr gerade in den Sinn kommt (bspw. Mutter- oder Landessprache). So entsteht ein authentisches und entspanntes Zusammenleben ohne Lerndruck. Das Lernen passiert nebenbei. Auch auf diese Art und Weise kann ein Kind lernen, die verschiedenen Sprachen auseinanderzuhalten und zu sprechen.
Zweisprachig – auch wenn beide Eltern deutsche Muttersprachler sind
Können Eltern ihr Kind zweisprachig erziehen, wenn beide Deutsch als Muttersprache haben? Das geht schon, wenn man die andere Sprache sehr, sehr gut beherrscht. Studien legen nahe, dass es sinnvoller ist, wenn Eltern in ihrer Landessprache mit ihrem Kind kommunizieren, anstatt in einer, die sie nur gebrochen und fehlerhaft beherrschen. Allein ihre Anstrengung verleidet dem Kind dann die Lust des Lernens.
Wenn ihr eurem Kind eine weitere Sprache beibringen wollt, vermeidet systematisches Lernen, wie es später in der Schule stattfindet. Spielerisch ist hier der Schlüssel. Euer Kind braucht Anreize die Freude bringen, keinen Druck des sturen Lernens. Schafft Spielsituationen mit Lerneffekt. Auch (Hör)-Bücher sind ein guter Weg. Vielleicht gibt es in eurer Umgebung andere gleichaltrige Kinder zum Spielen, die eure Wunschsprache sprechen.
In den letzten Jahren wurden auch immer häufiger Kindergärten auf Zweisprachigkeit umgestellt. Schaut euch einfach mal um. In einer solchen Kita lernen die Kinder die Sprache dann mit einer/einem muttersprachlichen Erzieher:in. Oft sind dann auch Kinder mit der entsprechend Muttersprache in der Gruppe.
Nachteile der zweisprachigen Erziehung
Wie immer gibt es auch Nachteile, wo es Vorteile gibt. So auch bei der bilingualen Erziehung.
Zweisprachig erzogene Kinder fangen oft etwas später mit dem Sprechen an. Einsprachige Gleichaltrige sind ihnen da oft voraus. Das ist allerdings höchstens in den ersten drei Lebensjahren relevant und sollte kein Hals und Beinbruch sein.
Viele Kinder vermischen zu Beginn beide Sprachen. Das entsteht oft bei Überforderung. In der Sprachforschung geht man davon aus, dass ein Wort aus der einen Sprache genutzt wird, wenn es in der anderen Sprache gerade nicht einfällt.
Manchmal kann es auch passieren, dass ein überfordertes Kind die Zweisprachigkeit vollständig ablehnt. Dies kommt vor, wenn eine Sprache dominiert. Die andere wird nur selten gesprochen und so fehlt der Bezug zum Alltag. Hier gilt: Druck raus und schauen, dass ihr eine Ausgeglichenheit in eurer Sprachlandschaft schafft.
Später in der Pubertät kann es passieren, dass Kinder sich „anders“ fühlen, wenn sie zuhause oder mit einem Elternteil auf einer anderen Sprache sprechen müssen. Das hängt mit möglicher Rebellion gegen die Eltern zusammen, aber auch mit dem Status der jeweiligen Sprache. Hat sie in der Wahrnehmung eures Kindes einen geringeren Stellenwert als die in seinem Umfeld Gesprochene, kann es passieren, dass es diese meidet. Hier liegt es an euch, dem Kind dieses „Anderssein“ als Stärke und Vorteil zu verdeutlichen und darüber zu reden.
Alleinerziehend zweisprachig erziehen
Wie oben bereits angesprochen, gilt auch hier: Ihr müsst die Sprache sehr gut beherrschen. Sehr gut beherrschen heißt, fließend oder vergleichbar mit muttersprachlich. Unterstützung findet ihr, wie oben erwähnt, in Medien, zweisprachigen Kindergärten und Schulen oder beim Spielen mit „fremdsprachigen“ Gleichaltrigen.
Um eine Lernstrategie zu entwickeln, legt doch bestimmte Orte für die jeweilige Sprache fest. Redet beim Spazierengehen oder Einkaufen nur Deutsch. Zuhause sprecht ihr deine Muttersprache.
So finden beide Sprachen im Alltag statt und dein Kind wird beide lernen. Wichtig ist hier, konsequent zu bleiben und die Orte sprachlich nicht zu wechseln.
Fazit
Eine zwei- oder mehrsprachige Erziehung bietet immense Vorteile für den späteren Lebensweg eures Kindes. Natürlich sind meist gewisse Regeln und eine gewisse Konsequenz nötig. Das Wichtigste ist, dass ihr keinen Leistungsdruck entstehen lasst. Der kommt noch früh genug. Geht das Ganze spielerisch an und bleibt gelassen. Auch wenn für jeden Elternteil die eigene Muttersprache und Kultur des Herkunftslandes eine große Bedeutung hat, bleibt entspannt. Euer Kind wird immer mal die eine Sprache besser beherrschen als die andere. Achtet einfach darauf, beide gleichwertig zu behandeln und zu sprechen.
Weiterführende Informationen
Dr. Fabrice Jaumont (2019, April 10). So erziehen sie Ihr Kind zweisprachig https://www.goethe.de/ins/us/de/spr/unt/cam/dfk/gdl/rfp/hch/rbc.html
Jaumont ist ebenfalls Autor des Buchs „Die Bilinguale Revolution: Zweisprachigkeit und die Zukunft der Bildung“ (Calec; Illustrated Edition, 2018).