Gerade während der Corona-Pandemie stieg die Zahl der Hausgeburten deutlich an, dennoch merkte ich selber, die Skepsis gegenüber der Hausgeburt ist in Deutschland noch recht groß. Warum eigentlich? Wie unterscheiden sich Klinik- und die Hausgeburt? Welche Vor- und Nachteile gibt es? Und was muss ich beachten? Aus eigener Erfahrung beantworte ich euch hier einige Fragen.
Ich wurde Ende der 1980er Jahre in Deutschland, in einer Klinik, per Kaiserschnitt geboren. Meine Schwester ebenso. Demnach stellte sich mir bei meiner ersten Schwangerschaft gar nicht die Frage, ob ich mein Kind irgendwo anders als im Krankenhaus auf die Welt bringen würde. Zuerst dachte ich sogar auch noch, dass ein Kaiserschnitt doch der komfortablere Weg wäre. Das änderte sich jedoch schnell, als ich mich ins Thema einlas.
Da wir zum Zeitpunkt der Geburt in Straßburg (Frankreich) lebten machten wir uns also dort auf die Suche nach einer Klinik, wobei uns wichtig war, dass die Kaiserschnitt-Rate dort niedrig ist, um möglichst sicher zu gehen, dass (sollte es nicht zu größeren Komplikationen kommen) eine natürliche Geburt möglich ist. Hier findet ihr übrigens einen Beitrag zum Thema „Geburt in Frankreich“.
Auf meine Klinikgeburt bereitete ich mich mit dem Buch „Das Geheimnis einer schönen Geburt“ vor. Hier wird sehr gut und nüchtern beschrieben welche Hormone sich wie auswirken, welche Schmerzmittel es gibt und wie diese wirken und wie sich die Frau bestmöglich auf die Geburt und die erste Zeit mit Baby vorbereiten kann. Die hilfreichen Checklisten zur Wahl der Klinik sowie Geburtsplan (was möchte ich unter der Geburt auf jeden/auf keinen Fall) stehen als praktischer Download zum Ausdrucken zur Verfügung.
Die Klinikgeburt
Für die Klinikgeburt bereitete ich einen Geburtsplan vor, der zum Beispiel vorsah, dass ich so spät wie möglich Schmerzmittel bzw. eine PDA (Periduralanästhesie) erhalten wollte. Da ich gelesen hatte, dass es für das Baby hilfreich ist, die Hormone, die ohne Schmerzmittel ausgeschüttet werden, mitzubekommen, wollte ich so lange wie möglich ohne durchhalten. Danach wollte ich zuerst Lachgas als mildes Schmerzmittel erhalten.
Weiterhin war es mein Wunsch, die Nabelschnur nach der Geburt auspulsieren zu lassen und, ich wusste nicht wie das in französischen Krankenhäusern gehandhabt wird, dass das Baby nach der Geburt keine Sekunde von uns getrennt ist (sofern nicht medizinisch absolut notwendig).
Den Geburtsplan hatte ich in der Klinik dabei, allerdings haben wir ihn tatsächlich nie mit der betreuenden Hebamme besprochen, weil es im Eifer des Gefechts unterging. Nicht alle meine Wünsche wurden daher so umgesetzt. Die, die mir am wichtigsten waren, allerdings schon.
Unterschiede
Es gibt einige sehr deutliche Unterschiede zwischen einer Klinik- und einer Hausgeburt, die allerdings weder von Vor- oder Nachteil sind:
Hebammen / Ärzte
In der Regel kennst du weder die Hebammen noch die Ärzte in der Klinik bevor du zur Geburt kommst. Eine Hebamme in der Klinik betreut in der Regel auch mehrere Frauen gleichzeitig, sodass sie in der Eröffnungs- und Übergangsphase nicht die ganze Zeit bei dir ist, sondern nur in regelmäßigen Abständen kontrolliert, ob alles in Ordnung ist. Ich persönlich empfand das eher als angenehm, weil ich so keine Ablenkung hatte und mich ganz auf mich selbst konzentrieren konnte.
Zur Geburt selbst ist immer ein Arzt oder eine Ärztin anwesend. Je nach Klinik machen in dieser Phase auch die Hebammen die Hauptarbeit, während der Arzt/die Ärztin sich im Hintergrund hält, oftmals ist es aber auch anders herum.
Einerseits kann sich die Anwesenheit eines Arztes/einer Ärztin beruhigend auswirken, andererseits kann es auch sein, dass durch das Dazukommen eine andere Dynamik und wieder Ablenkung in die Geburt kommt.
Schmerzmittel
In Deutschland liegt die PDA-Rate bereits seit einigen Jahren unter 50 %. In Frankreich dagegen liegt sie bei ca. 80 %. Bei mir war es also so, dass mit eine der ersten Fragen war, ob ich jetzt eine PDA möchte. Während der Geburt wurde mir diese noch mehrfach angeboten. Ich wollte es ohne schaffen, aber es war schwierig diese unter Schmerzen immer wieder abzulehnen.
Das Schöne an einer Klinikgeburt ist allerdings, dass es die Möglichkeit gibt, jederzeit etwas gegen die Schmerzen zu erhalten. Insbesondere wenn sich die Geburt sehr lange zieht und die Kräfte schwinden, kann das sehr sinnvoll sein. Von Entspannungsbad über sanfte Schmerzmittel bis hin zur PDA ist alles möglich.
Geburtsposition
In der Klinik ist es unter Umständen nicht möglich, die Geburtsposition völlig frei zu bestimmen. In der Regel bist du die gesamte Geburt über ans CTG angeschlossen und durch die Kabel ist die Bewegungsfreiheit eingeschränkt.
Bei der ersten Geburt ist dir vielleicht auch gar nicht bewusst, welche Positionen es gibt oder welche am besten wäre. Deshalb folgst du einfach der Empfehlung des medizinischen Personals. In der Klinik ist die häufigste Geburtsposition auf dem Rücken oder auf einer Seite liegend.
Sicherheit im Notfall
In der Klinik hast du im Notfall die größtmögliche Sicherheit. Falls etwas schief läuft, weißt du, dass jederzeit eingegriffen werden kann. Je nach Klinik ist eine Kinderklinik im selben Haus, sodass auch das Baby sofort versorgt werden kann, falls das nötig ist.
Vor- und Nachteile
Vorteile | Nachteile |
Jederzeit ausreichend Fachpersonal anwesend | Hebammen und Ärzte/Ärztinnen sind dir unbekannt |
Breites Spektrum an Schmerzmitteln verfügbar | Möglicherweise Schichtwechsel während der Geburt |
Schnelle Versorgung bei medizinischen Notfällen | Keine durchgängige 1:1-Betreuung |
Rund-um-die-Uhr-Nachsorge nach der Geburt (Wochenbettstation) | Mögliche Einschränkung bei Geburtsposition und individuellen Wünschen |
Persönliches Fazit zur Klinikgeburt
Für mich persönlich war die Klinikgeburt für das erste Kind optimal. Obwohl die Schwangerschaft unkompliziert war und das Baby optimal lag, war mein Sicherheitsbedürfnis sehr hoch und ich wollte für alle Eventualitäten gewappnet sein.
Dass ich meinen Geburtsplan mit der Hebamme nicht besprechen konnte und damit nicht alle meine Wünsche (zum Beispiel das Auspulsieren der Nabelschnur) berücksichtigt wurden, war etwas schade. Allerdings überwogen die positiven Erlebnisse diese kleine Enttäuschung.
Als besonders wertvoll in der Klinik empfand ich die Rund-um-die-Uhr-Betreuung auf der Wochenbettstation. Hier habe ich anfangs bei jedem Stillen die Hebamme dazugerufen, um es auch richtig zu machen. Die Hebammen zeigten uns nicht nur das Stillen und Wickeln, sondern auch das Baden, und sogar das Binden des Tragetuchs. Diese ganzen Tipps und Tricks in den ersten Tagen hätte ich auf keinen Fall missen wollen!
Die Hausgeburt
Beim zweiten Kind entschied ich mich, eher aus praktischen Gründen, für eine Hausgeburt. Von der Schwangerschaft erfuhren wir am Anfang der Corona-Pandemie, wo auch sofort Geschichten von Geburten kursierten, bei denen die Frau eine Maske tragen musste und der Mann gar nicht in den Kreissaal durfte.
Das war allerdings nicht der allein ausschlaggebende Grund – schließlich dachte im Mai 2020 auch noch jeder, dass die Pandemie bis Herbst rum wäre.
Gründe für die Hausgeburt
Meine Hauptbeweggründe waren vielfältig. Nachdem die erste Geburt völlig problemlos verlaufen war, ging ich davon aus, dass das bei der zweiten ebenfalls so wäre. Also wollte ich das Baby auf jeden Fall ambulant bekommen. Das heißt, wenige Stunden nach Geburt wieder nach Hause fahren – auch im Fall einer Klinikgeburt.
Da der Geburtstermin im Januar war, graute es mir allerdings davor, gegebenenfalls nachts bei Minustemperaturen mit einem wenige Stunden alten Baby hinaus in die Kälte zu müssen. Wie viel schöner wäre es, nach der Geburt einfach im heimischen Bett liegen zu bleiben.
Corona tat sein Übriges, denn wir hatten weder eine gesicherte Betreuung für den Großen, noch wussten wir, wie die Lage im Krankenhaus sein würde, sodass ich das Thema Geburtshaus-/Hausgeburt fest ins Auge fasste.
Die Planung
Eine Geburtshaus- oder Hausgeburt erfordert etwas mehr Planung als eine Klinikgeburt. Je nach Stadt ist es ratsam, direkt nach Erhalt des positiven Schwangerschaftstests ein Geburtshaus oder eine Hebamme für die Hausgeburt zu finden. Bei mir handelte es sich um ein Geburtshaus, bei dem man also bis kurz vor der Geburt entscheiden kann, ob man das Baby im Geburtshaus oder zu Hause auf die Welt bringen möchte.
Da im Geburtshaus mehrere Hebammen zusammengeschlossen sind, gibt es hier auch ein Vertretungssystem, das gewährleistet, dass immer eine Hebamme auf Abruf ist, wenn die Geburt startet. Bei mir war es so, dass vier Hebammen in einer Schicht waren, von denen immer eine auf Abruf ist.
Das heißt: du hast eine feste Hebamme, die dich in der Vor- und Nachsorge betreut und bestenfalls selbst am Tag der Geburt Schicht hat oder eben eine der drei anderen, die dann zur Geburt kommt.
Vorsorge- und Vorbereitung
In Vorbereitung auf die Geburtshaus- oder Hausgeburt führst du sehr detaillierte Gespräche mit deiner Hebamme. In meinem Fall gab es einen langen Fragebogen sowohl für mich, als auch für meinen Mann. Hier wurde sowohl eine medizinische Anamnese gemacht als auch nach persönlichen Aspekten wie „was gibt dir Kraft“ gefragt, sodass die Hebamme bestmöglich einschätzen kann, wie sie dich bei der Geburt unterstützen kann. Mir persönlich ging der Fragebogen an einigen Stellen zu weit oder wurde zu esoterisch („Erinnerst du dich an deine eigene Geburt?“). Aber auch das besprach ich mit meiner Hebamme.
Deine Hebamme kann auch Vorsorgeuntersuchungen, begleitend zu den Gynäkologen-Besuchen, durchführen. Hier fand ich immer spannend, wie sie nur durch horchen und anfassen dieselben Schlüsse zog, die die Gynäkologin per Ultraschall sah. In der Vorbereitung auf die Geburt lernte ich auch die anderen drei Hebammen der Schicht kennen. Normalerweise finden mit jeder der anderen Hebammen zwei Termine statt, Corona-bedingt war es bei mir jeweils nur einer.
Wenn eine Hausgeburt geplant ist, kommt die Hebamme auch vorab nach Hause und schaut sich die Örtlichkeiten kann: Wo kann man parken? Ist das Treppenhaus groß genug, falls der Notarzt kommen muss? Falls ein Geburtspool gewünscht ist, wo ist das möglich? Außerdem werden im Kühlschrank bereits einige Wochen vor der Geburt die Notfallmedikamente eingelagert.
Zur Vorbereitung gehören auch detaillierte Aufklärungsgespräche:
Risiken und Notfallplan
Während des Aufklärungsgesprächs über die Risiken wird auf alle möglichen Risiken eingegangen, diese werden ausführlich erklärt und es wird ein Notfallplan besprochen. Dazu gehört unter anderem die Dokumentation des nächsten Krankenhauses, der nächsten Kinderklinik sowie die Fahrtzeiten mit dem eigenen PKW oder dem Rettungswagen. Dieses Gespräch findet gemeinsam mit dem Partner statt und beide müssen der Hausgeburt zustimmen.
Geburtsbeginn
Hier werden, ebenfalls in Anwesenheit des Partners, noch einmal die einzelnen Phasen der Geburt besprochen, sowie der Ablauf, wenn es dann tatsächlich losgeht.
Plazenta
In diesem Gespräch erhielt ich nochmal weitere Informationen zur Plazenta allgemein, sowie Geburtspositionen und Ablauf der Plazentageburt.
Weiterhin gehört zur Vorbereitung natürlich auch das Vorbereiten des Geburtsraums. Ich habe von meiner Hebamme Checklisten sowohl für die Haus- als auch die Geburtshausgeburt erhalten. Ebenso eine Tasche mit einigen Dingen wie Unterlagen etc. Bereits einige Wochen vor Geburt habe ich also alles, was für die Geburt nötig ist, in einer Kiste vorbereitet und für eine Verlegung im Notfall eine Kliniktasche gepackt.
Als es mit der Geburt dann tatsächlich losging, musste ich nur die Kiste auspacken, Musik anschalten, Duftkerze anzünden und war bereit. Mein Mann hat, kurz bevor das Baby kam, dann die letzten Dinge wie Handtücher in den Ofen legen etc. erledigt.
Unterschiede
Wie man an diesem Text bereits sieht, ist die Vorbereitung bei einer Geburtshaus- oder Hausgeburt viel intensiver. Sowohl die Frau als auch der Partner beschäftigen sich intensiv mit dem Ablauf und den möglichen Risiken.
Die Hebammen achten sehr auf die individuellen Wünsche und darauf, dass die Geburt genau so abläuft, wie es sich die Frau vorstellt.
Vor- und Nachteile
Vorteile | Nachteile |
Hausgeburt: keine Anreise, Geburt im gewohnten Umfeld Geburtshaus: „Schlafzimmer-Atmosphäre“, große Badewanne, beste Bedingungen | Keine medizinische Infrastruktur wie in einer Klinik |
Sehr intensive Vorbereitung | Höherer Planungs- und Vorbereitungsaufwand |
Hebamme ist bekannt | Keine Schmerzmittel |
Durchgängige 1:1-Betreuung, bei Geburt Anwesenheit zweiter Hebamme | Verlegung bei Wunsch nach Schmerzmitteln oder medizinischem Notfall |
Individuelle Wünsche werden berücksichtigt | Nach der Geburt keine rund-um-die-Uhr-Betreuung* |
*Die Hebammen bleiben auch nach der Geburt noch mindestens zwei Stunden bei dir zuhause um sicherzugehen, dass Mutter und Kind wohlauf sind. Danach ist deine Hebamme telefonisch jederzeit erreichbar, allerdings würdest du sie in diesem Fall ja nicht zu jedem Stillen herbeirufen, wie das im Krankenhaus prinzipiell möglich ist. Die Hebamme kommt nach der Geburt täglich zu dir, um Fragen zu beantworten und nach Mutter und Kind zu schauen.
Fazit
Die Entscheidung ob eine Klinik- oder eine Hausgeburt das Richtige ist, ist sehr individuell und muss von jeder Frau bzw. jedem Paar selbst abgewogen werden.
Für mich war für die erste Geburt die Klinikgeburt optimal. Hier war mein Sicherheitsbedürfnis vollauf befriedigt, sodass ich mich entspannen und ganz auf die Geburt konzentrieren konnte. Natürlich gab es ein paar Aspekte, mit denen ich nicht so zufrieden war, aber die Vorteile überwogen für mich. Insbesondere die enge Betreuung nach der Geburt und die Möglichkeit alle Fragen zu platzieren, waren beim ersten Baby eine enorme Erleichterung.
Die Hausgeburt beim zweiten Baby habe ich eher aus praktischen Gründen in Erwägung gezogen und weniger aus dem Aspekt der Selbstbestimmung (weil ich auch in der Klinik nicht das Gefühl hatte übergangen zu werden). Da die erste Geburt völlig komplikationsfrei war und ich sie ebenfalls weitestgehend ohne Schmerzmittel geschafft hatte, fühlte ich mich für eine Hausgeburt gewappnet. Nichts-desto-trotz war ich etwas nervös und hielt mir auch bis zuletzt die Option offen, doch noch ins Geburtshaus oder gar in die Klinik zu fahren.
Eine Hausgeburt wäre für mich vermutlich auch nicht in Frage gekommen, wenn ich nicht zentral in der Stadt wohnen würde, wo das nächste Krankenhaus 1,5 km entfernt ist und ein Baby-Notarzt innerhalb weniger Minuten vor Ort sein kann.
Hier muss also wirklich jede/r für sich selbst abwägen, was das Richtige ist und sich der Konsequenzen, möglichen Alternativen und Notfallplänen vorab bewusst werden.
Bild: Foto von Isaac Taylor von Pexels
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